AgitProp

Samstag, 16. Dezember 2006

BadVista: Warum Windows Vista böse ist

Die Free Software Foundation hat ganz frisch das BadVista Blog eingerichtet, wo Ihr Euch immer auf dem Laufenden halten könnt, was an Windows Vista böse ist:

Bad Vista Logo

Noch ein Grund, auf Linux umzusteigen...

Übrigens bestelle ich (neue) Bücher im Internet immer bei Bookzilla, die geben bei jedem verkauften Buch die 5% Provision an die Free Software Foundation Europe weiter.

Sonntag, 1. Oktober 2006

Das Ende der Elternkultur

... wird wohl noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Was ich unter Elternkultur verstehe, dazu erlaube ich mir weiter unten aus dem Buch Elternaustreibung zu zitieren. Ich habe dazu auch formuliert: Die Elternkultur ist die Matrix. Damit meine ich all das, was uns (Kindern, die wir ja alle sind) unhinterfragt präsentiert wird. Ich erinnere in dem Zusammenhang auch an die Bärengeschichte, die Christoph Spehr zitiert:
Typisch sind, erstens, die Fragen, die nicht gestellt werden: Woher nehmen die alten Bären das Recht, dem kleinen Bären zu sagen, wann er ins Bett zu gehen hat und ob er dabei Licht braucht? Wieso werden sie dadurch zu seinen Untertanen, dass er beim Essen persönliche Geschmacksvorlieben hat? Wem schadet er, weil er seine Suppe nicht essen will und wieso freuen sie sich nicht, wenn er sie später doch essen will? Wer stellt mehr Zumutungen an den anderen: der kleine Bär, dessen Zumutungen immer auffallen, oder die alten Bären und ihre Welt, die unzählige Regeln, Forderungen, Normen umfasst und eine einzige, gewaltige, polypenhafte Zumutung an den kleinen Bären ausspricht: sich einzufügen und sie zu akzeptieren, wie sie ist? Wieso wird ein Unterschied zwischen diesen Zumutungen gemacht, je nachdem, in welche Richtung sie gestellt werden; womit wird dieser Unterschied begründet oder gerechtfertigt? Wer hat eigentlich wirklich die Macht: der kleine Bär, der in eine Welt nachkommt, die ihm von anderen vorgesetzt wird, oder die alten Bären, denen diese Welt gehört, die darüber verfügen, die sich selber Essen machen können und die keine Angst im Dunkeln haben? Was bedeutet das für die Situation des Konflikts?

So, nun aber das angekündigte Zitat aus dem Rowohlt Verlag:
Elternaustreibung, die:
Das Wort ist eine sprachliche Eigenwilligkeit. "Elternaustreibung" erinnert an "Teufelsaustreibung" und "Judenvertreibung". Es geht mir um den Abschied von der Elternkultur, die seit vielen Jahrtausenden das Leben der Menschen beherrscht. Mutter und Vater gelten mehr als das Kind, die Regierenden mehr als das Volk, Gott gilt mehr als der Mensch, der Mensch mehr als das Tier, der Geist mehr als der Körper. Von Moses über Luther zu Reagan wurde das Prinzip, das sich verbirgt hinter den Geboten "Du sollst deine Eltern ehren" und "Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir", als Lebensregel propagiert und in der Gesellschaft durchgesetzt. Es wird bis heute im Staat durchgeführt und in den Familien durchgeprügelt. Hinter diesem Prinzip steht eine Tendenz, die am Ende des 20. Jahrhunderts direkt in den Untergang der Menschen hineinführt. Da die Elternkultur das Oben gegen das Unten, das Alte gegen das Junge, das Gestrige gegen das Heutige verteidigt, können die Menschen sich nicht verändern und ihr Leben nicht neu einrichten, keine Gesellschaft in die Zukunft hinein aufbauen.
Von diesem todbringenden Prinzip verabschiedete ich mich in meiner "Elternaustreibung". Erst danach wurde ich fähig, meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst. Ich begann mit einer "Kinder"-Bewegung. Sie wird die letzte sein, die die Menschen aus der Herrschaftsgesellschaft der Männer herausführt. Es gab viele Bewegungen, die versuchten, das Patriarchat abzuschaffen: Sklaven, Bauern, Bürger, Arbeiter, Frauen und in ihrer Nachfolge die vielen Minderheiten, die mit verschiedenen Mitteln sich zur Wehr setzten. Die "Kinder"-Bewegung wird erstmals beide Geschlechter und Menschen aller Schichten und Altersstufen umfassen. Und sie wird die Verbindung zwischen dem Persönlichen und dem Gesellschaftlichen herstellen. Menschen von sieben bis siebzig werden ihr angehören, alle die, die sich aus der körperlichen und seelischen Macht ihrer Mütter und Väter befreien wollen, weil sie wissen und fühlen, daß diese Macht die Voraussetzung schafft für alle andere Macht. Die "Kinder"-Befreiung knüpft an ein Naturprinzip an: Aufbruch von den Eltern, Trennung für immer, Wiederfremdwerden. Die Tiere verlassen ihre Eltern nach der Zeit der Aufzucht und kennen sie dann nicht mehr, so daß Eltern und Kinder frei werden, um sich den Erfordernissen des Lebens neu widmen zu können.
Das ist Anarchismus an sein logisches Ende gedacht. Somit ist eine Elternaustreibung immer auch eine politische Handlung.

Mittwoch, 19. Juli 2006

Krieg der Zuckerindustrie! Free Stevia!

Da schlacker ich doch echt mit den Ohren! Zucker ist ein Gift, Suchtmittel & kommt in isolierter Form in der Natur nicht vor.
Irgendwie geahnt hatte ich es ja schon. Ein Teil meiner Ess-Sucht war & ist auch die Sucht nach Süssigkeiten.
Nun hab ich endlich mal den Artikel zum Themenhefter Zucker aus der Kent-Depesche (die ich insgesamt skeptisch betrachte) gelesen & das war's jetzt. Hier & heute erkläre ich der Zuckerindustrie den Krieg & beginne das Experiment. Da werd ich erst mal feststellen wo überall Zucker drin ist.
Von meiner Mutter, die eine 100%ige Laktoseunverträglichkeit hat, habe ich erfahren wo überall Milchzucker drin ist. Das ist gleich schon die nächste Kriegserklärung wert, aber immer eins nach dem anderen...

Eine (wenn nicht die) Alternative zu Zucker ist Stevia, das krankerweise in USA & EU als Lebensmittelzusatz verboten ist obwohl keine einzige Studie eine schädliche Wirkung nachweisen konnte. Also: Free Stevia!

Als Motto möge der Satz von Dr. Max Otto Bruker gelten: Essen und trinken Sie nichts, wofür Werbung gemacht wird!

Samstag, 4. Februar 2006

Der grüne Planet

Übers Wochenende bin ich zu Besuch bei einer Freundin in Dresden. Heute Abend haben wir uns den Multimediavortrag Der grüne Planet - Abenteuerliche Reisen in die Urwälder der Erde in der TU angesehen. Veranstaltet wurde das Ganze von Greenpeace. Den Vortrag hielt der Fotograf Markus Mauthe, der für Greenpeace in verschiedene Urwaldgebiete gereist ist, um einerseits deren Schönheit & Vielfalt sowie den Nutzen für die Menschheit & das Ökosystem Erde zu dokumentieren, andererseits aber auch deren voranschreitende Zerstörung.
Ein Schock war für mich die Karte mit dem Vergleich von Urwaldflächen auf der Erde vor 8000 Jahren & heute:
Urwälder vor 8000 Jahren & heute
(Bild © Greenpeace, drauf klicken für die volle Auflösung)
Die heutigen Urwaldflächen sind grün gekennzeichnet, alles was gelb markiert ist, ist als Urwald von der Erdoberfläche verschwunden. Dazu zählen auch Gebiete, wo die Urwälder durch Wirtschaftswälder ersetzt wurden. In diesen ist die Artenvielfalt viel geringer, zumal in Monokultur-Wäldern.

Was kannst Du als EinzelneR tun, um diese letzten Urwaldgebiete zu erhalten? Im Alltag kannst Du entscheiden, welches Holz & welches Papier Du verwendest. Eine gute Richtschnur ist dabei das Gütesiegel des Forest Stewardship Council, das nicht nur Holz, sondern auch Papiersorten auszeichnet. Schau mal auf die ersten Seiten der Bücher, die Du liest, da sollte sich dieses Logo finden:
Regeln für die Verwendung des FSC-Logos
Ein anderes Gütesiegel für umweltschonende Holzprodukte vergibt Naturland.

Wenn Du Geld anlegen willst, kannst Du dies mittels eines Baumsparvertrags tun & die nachhaltige Bewirtschaftung von Tropenwäldern unterstützen.

Im Vortragsteil über die Amazonas-Urwälder erfuhr ich, dass Brasilien inzwischen zum zweitgrössten Soja-Exporteur aufgestiegen ist. Für den Anbau wurden & werden riesige Urwaldflächen gerodet.
Wer jetzt übrigens als Fleischesser hämisch auf Soja essende VegetarierInnen zeigt, dem halte ich entgegen: Der Grossteil des weltweit angebauten Soja wird an Tiere, in erster Linie Rinder verfüttert!

Übrigens sind zwar die grossen Lebensmittel- & Holzkonzerne die grössten Urwaldvernichter, einen Teil macht jedoch auch Brandrodung durch landlose ArbeiterInnen aus. An dieser Stelle zeigt sich mal wieder, dass Armut die grösste Umweltgefahr darstellt. Wikipedia hat einen Artikel über die Landlosenbewegung in Brasilien. Mir fiel an dieser Stelle Chico Mendes wieder ein, über den ich vor vielen Jahren mal ein Buch gelesen habe. Er war Kautschukzapfer, gründete eine Gewerkschaft & wurde schliesslich wegen seines Engagements für den Erhalt der Regenwälder ermordet.

Zuletzt will ich noch auf ein Problem eingehen, das mich gerade seit ich Gemeinschaften bereise beschäftigt: Heizen mit Holz - in Gemeinschaften fast schon Standard - gilt als CO2-neutral. Doch was heisst CO2-neutral? Streng genommen bedeutet das für mich, dass im Mittel bei der Verbrennung (oder bei anderen Prozessen) nicht mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen wird, als die Pflanzen ihr in der gleichen Zeit wieder entziehen. In diesem Sinne ist Bioenergie beim heutigen Niveau des Energieverbrauchs alles andere als langfristig nachhaltig. Bäume (oder auch Zuckerrohr, Raps u.a.) wachsen zwar erheblich schneller nach als Kohle & Erdöl neu entstehen, doch in den Industrieländern verbrauchen wir sie trotzdem noch erheblich schneller als sie nachwachsen können.
Als drittes Bild an dieser Stelle der Weltenergieverbrauch (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung):
Weltenergieverbrauch nach Regionen
Da gibt es also noch eine ganze Menge umzudenken & umzulenken.

Sonntag, 29. Januar 2006

Freies Kinderaufwachsen II

Gestern habe ich mir bei der Sudbury-Schule in Leipzig zwei Hefte Natürlich lernen - wie neue Menschen werden des Continuum Waldkindergarten e.V. mitgenommen & heute gelesen. Da stehen so viele spannende & wichtige Sachen drin, dass das einen eigenen Eintrag rechtfertigt.

Obwohl das Einstein-Jahr gerade rum ist, zitiere ich dennoch zu Beginn Albert Einstein:
Es ist in der Tat fast ein Wunder, dass die modernen Methoden des Unterrrichts die heilige Neugier des Forschens noch nicht völlig erstickt haben, denn diese zarte, kleine Pflanze bedarf ausser dem Ansporn hauptsächlich der Freiheit. Ohne diese geht sie ohne jeden Zweifel zu Grunde.

Deutschland ist das einzige europäische Land mit einer Schulpflicht; übrigens seit 1938. Anderswo gibt es lediglich eine Bildungspflicht, dort sind andere Formen jenseits staatlich zugelassener Schulen zulässig.
Dem Hausunterricht (neudeutsch Homeschooling) stehe ich deshalb skeptisch gegenüber, weil dabei nur die Eltern nur ihre eigenen Kinder unterrichten; das ist an sozialen Kontakten sehr eingeschränkt. Schulen wie Sudbury, die sich explizit als eine Gemeinschaft versteht, gefallen mir viel besser. Es kann ja auch eine ganze Gemeinschaft sich als Lernort für die dort Lebenden verstehen. Hauptsache die Kinder haben eine grosse Auswahl an sozialen Kontakten zu Menschen aller Altersstufen.

Im ZEGG, der Gemeinschaft wo alles anfing mit meiner Reise, ist freies Kinderaufwachsen wie in vielen Gemeinschaften ein wichtiges Thema. Heckenbeck zeigt, dass die Zeit für freie Schulen mehr als reif ist.

Ein paar davon, die ich bisher noch nicht erwähnt hatte, sind die Sands School in England, die Freie Aktive Schule Esslingen, die
Freie Aktive Schule Stuttgart, die Freie Schule Fläming (wo wir schon gerade beim ZEGG waren) sowie Schkola - ein Zusammenschluss mehrerer freier Schulen im Dreiländereck, dort wo sich auch die Kulturfabrik Mittelherwigsdorf befindet.

Lernen ist wie Sex! Das berichtet die Zeit in ihrem Artikel Auf der Suche nach dem Kapiertrieb. Menschen zum Lernen zu zwingen ist also mindestens so hirnrissig wie (gesunde) Menschen zu Essen zu zwingen. Sie tun es eh von sich aus.
In diesen Zusammenhang gehört der Hirnforscher Gerald Hüther, der das Bildungsnetzwerk WIN-Future ins Leben gerufen hat.


So, & nun kommt das grosse Namedropping Teil 2:
Bekannte Schul-KritikerInnen sind John Holt, Alice Miller, Ivan Illich & Ekkehard von Braunmühl, der Begründer der Antipädagogik. Dann gibt es noch die Freinet-Pädagogik, die nicht-direktive Begleitung nach Rebeca Wild & Jesper Juul mit seinem Konzept "Das kompetente Kind". Von Rolf Robischon habe ich nur einen kurzen Absatz gelesen, erwähnen tue ich ihn dennoch. Arno Gruen untersucht in seinen Büchern die Folgen davon, dass in unserer Kultur die meisten Kinder (zwangsweise!) lernen, sich nicht für sich selbst zu verantworten & ihre Gefühle abzuspalten. Das Ergebnis nennt er den Wahnsinn der Normalität.

Weitere Bücher zum Thema sind z.B. Schulfrei. Lernen ohne Grenzen von Stefanie Mohsennia, Olivier Keller: Denn mein Leben ist Lernen, David Gribble: Schule im Aufbruch. Es gibt auch einige Bücher zur anarchistischen Pädagogik.
Die KursKontakte hat eine Rubrik anders lernen.

Vereine u.ä. Institutionen, die sich mit freiem Kinderaufwachsen & selbstbestimmtem Lernen beschäftigen, sind die Initiative Schulpflicht - Nein Danke!, Mit Kindern wachsen, Amication. Das Leben jenseits von Bevormundung und Erziehung. sowie das Institut für Autopoietisches Lernen

In der Zeitschrift Natürlich lernen Heft 02 steht ein Artikel von Anna Tardos über das Emmi-Pikler-Institut (Lóczy), den ich sehr berührend & zugleich aufschlussreich fand. Emmi Pikler hat über lange Zeit Säuglinge beobachtet & dabei herausgefunden, dass sie von sich aus neue Positionen & neue Bewegungen ausprobieren. Sitzen, stehen & laufen lernen kleine Kinder ganz von alleine, es muss kein Erwachsener dabei Händchen halten o.ä.
Die deutschsprachige Homepage des Lóczy ist www.kinder-leicht.de, der Verein Wege der Entfaltung e.V. beschäftigt sich u.a. mit den Erkenntnissen von Emmi Pikler & unterstützt das Lóczy.

Mir fiel beim Lesen des Artikels spontan die Feldenkrais-Methode ein, die sich mit unseren Bewegungsmustern beschäftigt. Bei der Feldenkrais-Ausbildung fängt mensch an mit den Bewegungsmustern des Säuglings.
Jean Liedloff hat bei Expeditionen zu einem Stamm im Amazonasgebiet viel über die Entfremdung von Geburt an herausgefunden, die in der westlichen Kultur praktiziert wird. Ein ganz grosses Anliegen ist es ihr, dass Säuglinge lange Zeit von ihrer Mutter (oder auch einem anderen Erwachsenen) getragen werden. Die Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen an der Uni Freiburg unter der Leitung von Evelin Kirkilionis führt u.a. zu diesem Thema wissenschaftliche Studien durch. Ebenso sollten nach Jean Liedloff Kinder möglichst lange gesäugt werden. Sheila Kitzinger setzt sich ebenfalls dafür ein.

Das Kato-Prinzip habe ich ja seinerzeit durch den Artikel Kommunikation mit Kindern kennen gelernt. Otmar Preuß hat auch ein Buch über Pädagogik als Begleitung statt Erziehung geschrieben: Schule halten. Vom Abenteuer, Lehrer zu sein.

Samstag, 28. Januar 2006

Sudbury-Schule Halle/Leipzig

Heute war ich beim Tag der offenen Tür bei der Sudbury-Schule Halle/Leipzig. Das ist momentan die einzige Schule nach dem Sudbury-Modell in Deutschland. Übrigens momentan faktisch eine Aktion Zivilen Ungehorsams, da die Schule bisher nicht offiziell zugelassen ist: Die Eltern haben Bussgeldbescheide bekommen, weil sie ihre Kinder nicht auf eine offizielle Schule schicken. Das find ich echt geil & sehr mutig. Solche Menschen braucht Deutschland in Massen! Dann kommt hier endlich mal was in Bewegung.

Das Sudbury-Konzept kenne ich auch erst seit kurzem, mich erschütterte jedoch, dass die meisten, denen ich von der Schule erzählte, noch nicht einmal Summerhill von Alexander S. Neill kannten. Dabei ist das schon die bekannteste demokratische Schule. Hier ist also noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig, was ich hiermit freudig tue.

Die vier Grundlagen des Sudbury-Konzepts sind:
  • Freiheit: Alle Schüler & Schülerinnen sind frei zu entscheiden, was sie in der Zeit tun, die sie in der Schule verbringen, d.h. was sie lernen.
  • Verantwortung: Jeder Schüler & jede Schülerin trägt persönlich gegenüber sich selbst & gegenüber der Schulgemeinschaft die Verantwortung für sein/ihr Handeln & dessen Folgen.
  • Demokratie: Die Schule wird von zwei demokratisch organisierten Gremien geleitet & verwaltet: von der Schulversammlung mit gleichem Sitz & gleicher Stimme für jeden Mitarbeiter & jeden Schüler sowie die Mitgliederversammlung des Trägervereins mit gleichem Sitz & gleicher Stimme für Schüler, Eltern & Mitarbeiter.
  • Rechtsstaatlichkeit: Die Mitgliederversammlung bestimmt die Grundsätze der Schule, die Schulversammlung die Regeln für den Schulalltag & die Prozeduren bei Verstössen. Anzeige, Ermittlungen, Anklage, Prozess & Urteil sind klar voneinander getrennte Bestandteile rechtsstaatlicher Justiz. Angeklagte haben hier das Recht auf Anhörung, Verteidigung & Berufung.
Am aufschlussreichsten fand ich die Rechtsstaatlichkeit, weil hier die freie Kooperation in der Praxis verwirklicht ist: Die SchülerInnen & BegleiterInnen (so nennen sich hier die "LehrerInnen") verhandeln die Regeln als Freie & Gleiche - auch auf der Metaebene, also wie wird über Regeln verhandelt.
Das nehme ich zum Anlass, die Geschichte zu zitieren, die Christoph Spehr als Aufhänger seines Textes dient:
In einer Hütte lebten drei Bären, zwei große und ein kleiner. Die großen Bären haben alles im Griff und wissen, wo es langgeht; aber der kleine Bär ist uneinsichtig und eigensinnig. Die großen Bären nennen ihn das »Prinzchen«. Wenn die großen Bären ihn rufen, sagt der kleine Bär »Nein« und kommt, sobald es ihm passt. Er will keine Suppe essen, obwohl die gesund ist und gut schmeckt, sondern lieber Schinken. Später, wenn die Suppe längst kalt ist, isst er sie dann plötzlich. Zum Schlafen will er keinen Schlafanzug anziehen und möchte, dass das Licht brennt. Die großen Bären lassen dem kleinen seinen Willen, aber sie sind nicht zufrieden. Sie finden das nicht in Ordnung.
Die großen Bären gehen sich beim Bärentherapeuten Rat holen. (Ohne den kleinen Bär, versteht sich.) Der Therapiebär sagt: »Na, kein Wunder! Ich will euch mal ein Bild malen.« Dann malt er ein Bild, auf dem der kleine Bär eine Krone trägt und die großen Bären vor ihm auf den Knien liegen. »Genauso seid ihr«, sagt der Therapiebär. »Hängt das Bild zu Hause auf, und es wird euch helfen.«
Die großen Bären hängen das Bild zu Hause auf. Als der kleine Bär das nächste Mal sagt: »Ich will jetzt nicht essen kommen!«, sieht der eine große Bär das Bild an und sagt mit fester Stimme: »Prinzchen, du kommst sofort her, oder du gehst ins Bett!« Das schockt den kleinen Bär. Der andere Bär will den kleinen Bär schon fragen, ob er lieber was anderes essen will, da sieht er das Bild an der Wand und sagt: »Basta. Wenn dir das hier nicht schmeckt – ab ins Bett.« Im Bett heult der kleine Bär, weil er das Licht anhaben will. Aber niemand kümmert sich drum. Nach einer Weile bettelt der kleine Bär, dass er wenigstens einen Gutenachtkuss haben will, sonst gar nichts. Den kriegt er dann. Die großen Bären sind jetzt wieder sehr zärtlich und freundlich.
Die großen Bären sehen auf das Bild an der Wand, und sie sehen, wie sich das magische Bild des Therapiebärs langsam verändert: Die Krone des kleinen Bären verschwindet, und die großen Bären richten sich auf. Es sieht fast so aus, als ob der kleine Bär lächelt.
So ist es gut!

Diese Geschichte, entnommen dem Kindermagazin »Hoppla« des Weltbild Verlags, ist ein typisches Stück demokratischer Propaganda. Sie zeigt alle Muster und das ganze Grauen dieser Propaganda, wie sie heute auf allen Gebieten üblich ist. Typisch sind, erstens, die Fragen, die nicht gestellt werden: Woher nehmen die alten Bären das Recht, dem kleinen Bären zu sagen, wann er ins Bett zu gehen hat und ob er dabei Licht braucht? Wieso werden sie dadurch zu seinen Untertanen, dass er beim Essen persönliche Geschmacksvorlieben hat? Wem schadet er, weil er seine Suppe nicht essen will und wieso freuen sie sich nicht, wenn er sie später doch essen will? Wer stellt mehr Zumutungen an den anderen: der kleine Bär, dessen Zumutungen immer auffallen, oder die alten Bären und ihre Welt, die unzählige Regeln, Forderungen, Normen umfasst und eine einzige, gewaltige, polypenhafte Zumutung an den kleinen Bären ausspricht: sich einzufügen und sie zu akzeptieren, wie sie ist? Wieso wird ein Unterschied zwischen diesen Zumutungen gemacht, je nachdem, in welche Richtung sie gestellt werden; womit wird dieser Unterschied begründet oder gerechtfertigt? Wer hat eigentlich wirklich die Macht: der kleine Bär, der in eine Welt nachkommt, die ihm von anderen vorgesetzt wird, oder die alten Bären, denen diese Welt gehört, die darüber verfügen, die sich selber Essen machen können und die keine Angst im Dunkeln haben? Was bedeutet das für die Situation des Konflikts?
Typisch ist, zweitens, dass soziale Kooperation nur als eine Form vorstellbar ist, wo jemand das Sagen hat. Irgendwer muss das Sagen haben und jemand anders nicht; das gilt als »Klarheit« und schafft »Ordnung« und »Orientierung« für alle. Irgendwer hat immer die Krone auf, entweder der kleine Bär, wo man sie sehen kann, oder die großen Bären, wo man sie nicht sehen kann, denn die großen Bären haben ja einfach Recht. Konflikt ist schlecht, Streit ist schlecht, Nicht-zur-Entscheidung-Kommen ist schlecht: Es gilt als Indiz dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Natürlich haben gemäß der demokratischen Propaganda nicht Personen das Sagen, sondern Prinzipien, Regeln, Diskurse, Formen der Entscheidungsfindung. Aber wer keine solchen Entscheidungen über sich »finden« lassen will, ist der Feind.
Typisch sind, drittens, die Formen der Denunziation: der Feind, der Aufmüpfige, der Regelverletzer, der Uneinsichtige und mit Gewalt zur Ordnung zu Rufende wird als Monarch dargestellt. Seine fehlende Unterordnung wird als Willkürherrschaft eines absolutistischen Fürsten porträtiert. Seine Weigerung, nach den für ihn vorgesehenen Normen zu arbeiten, zu leisten, zu funktionieren, wird als Schmarotzertum, Faulheit, Verweichlichung, Luxussucht gebrandmarkt – alles Vorwürfe, die wir mit der Lebenshaltung von Adeligen und Fürsten assoziieren. Dies ist die normale Form der Denunziation im demokratischen Zeitalter, egal, ob es um die Ansprüche von Kindern, von Sozialhilfe beziehenden Müttern, von armen Nationen oder wem auch immer geht. Die in der sozialen Hierarchie Untenstehenden werden als hochnäsige Müßiggänger im Hermelinpelz gezeichnet, als die eigentlich Dominanten, die heimlichen Fürsten.
Typisch ist, viertens, was als selbstverständlich vorausgesetzt wird: dass Macht, wenn sie in Übereinstimmung mit den herrschenden gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen ausgeübt wird, auch Recht ist, und gleichzeitig, dass sie gar keine Macht ist. Dies klingt absurd, ist jedoch gang und gäbe und Herzstück demokratischer Propaganda. Eigentum, Verfügungsgewalt, physische und strukturelle Gewalt, Zugang zu den Ebenen, auf denen die Normen gesetzt und die Regeln verhandelt werden, alles, was einen alten, dicken Bär von einem kleinen Bär unterscheidet: Es ist so selbstverständlich, dass es unsichtbar wird.
Wieso gehört den alten Bären das Haus? Weil sie darin geboren sind? Weil sie es gebaut oder gekauft haben, als der kleine Bär noch gar keine Chance hatte, ein Haus zu bauen oder zu kaufen? Wieso entscheiden sie, wann das Essen gegessen wird? Weil sie es gekocht haben? Müssten dann nicht die darüber entscheiden, die die Nahrungsmittel dafür angebaut haben? Oder die, von denen diese wiederum den Samen dafür gekauft haben? Oder die, die diese Säcke mit Samen zu ihnen hingeschleppt haben? Oder die, die den Sackschleppern ihr Essen gekocht haben? Was unterscheidet die einen in der Kette von den anderen? Wieso dürfen die alten Bären den kleinen Bär zu etwas zwingen? Wer gibt ihnen das Recht, zu wissen, was für den kleinen Bären gut ist? Ist es nicht ein Skandal, dass sie ihm gegenüber derart im Vorsprung sind?
Wenn jemand danach fragt, heißt es, es gibt Formen der demokratischen Entscheidungsfindung, die setzen das so fest, wer was darf. Wenn jemand weiter fragt, heißt es, gut, natürlich wird nicht über alles so entschieden, und
es kann nicht jede Entscheidung dabei herauskommen. Es gibt auch noch die Vernunft, das Recht, den Schutz, die Notwendigkeit, das Herkommen, den normalen Menschenverstand und so weiter; und hinten jeden dieser Begriffe ließe sich in Klammern einsetzen: »derjenigen, die Macht haben«. Wenn jemand darüber klagt, über diese Macht, heißt es: Es ist keine. Wir halten uns nicht weiter mit der Absurdität unserer Haltung auf. Wir haben unsere Therapiebären dafür, die das schmutzige Geschäft des ideologischen Reinwaschens für uns erledigen: Philosophieprofessoren, Politikwissenschaftler, Lehrer, Nachbarn, Stammtischpolitiker, Männerfreundschaften, Illustrierte. Alle Arten von Therapiebären, die wir bezahlen und beauftragen oder die sich aus innerem Antrieb berufen fühlen. Die Therapiebären helfen uns dabei, uns gegen die Ansprüche anderer emotional abzuschotten und das miese Gefühl niederzukämpfen, wenn wir Gewalt anwenden, um andere Bären hungrig im Dunkeln schlafen zu lassen.
Demokratische Propaganda heißt, Herrschaftspropaganda im demokratischen Zeitalter. Im demokratischen Zeitalter, unserem Zeitalter, das in etwa mit den revolutionären Erschütterungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt und bis heute andauert, verliert Herrschaft im vordemokratischen Stil ihre Akzeptanz. In früheren Zeiten untermauerten herrschende Gruppen ihren Anspruch, das Kommando zu haben, gerade mit ihrer Andersartigkeit, ihrer Ungleichheit mit den Beherrschten. Die herrschenden Gruppen behaupteten, sie seien von Natur aus zum Herrschen bestellt. Sie seien von Natur aus dazu befähigt, Gott näher, der Vernunft näher, der Zivilisation näher oder wem auch immer zu sein. Sie seien der Kopf, die andern die Organe. Mit solchen Argumenten rechtfertigte sich in vordemokratischen Zeiten die Herrschaft von Königen und Adel über das Volk, von Männern über Frauen, von Weißen über Nicht-Weiße, von Reichen über Arme, von Wirtschaftseliten über die, welche nur ihre Arbeitskraft besaßen. Im demokratischen Zeitalter ändert sich das. Rechtfertigungen dieses Stils werden auf Dauer nicht mehr hingenommen. Damit verschwindet Herrschaft nicht, aber sie verändert sich; und sie stellt sich auch anders dar. Im demokratischen Zeitalter betonen Herrschende und Privilegierte unermüdlich, wie gleich sie den andern seien: kein gottgleicher Über-Bär, sondern Bär unter Bären. Sie prahlen nicht mehr mit ihrer Herrschaft, sondern behaupten, es gebe keine mehr. Und wenn die großen, alten Bären die kleinen zurechtstutzen, dann herrschen sie nicht, sondern setzen nur die Regeln durch, die für alle gelten. Eigentlich handeln sie in Notwehr; sie sind es, die sich gegen die Regelverletzer zur Wehr setzen müssen.
Wir leben in einer Welt, die von alten Bären gemacht und beherrscht wird. Die Geschichte von den drei Bären hätte so in West und Ost erzählt werden können, im demokratischen Kapitalismus wie im realexistierenden Sozialismus. Sie wird erzählt in Schulen und Parlamenten, in Fabriken und Büros, in Familien und Beziehungen; sie rechtfertigt Dominanz zwischen Geschlechtern, ethnischen Gruppen, sozialen und ökonomischen Gruppen und zwischen Nationalgesellschaften. Man erzählt sie, bevor man ein Land militärisch angreift, bevor man Sozialleistungen streicht, bevor man jemand ein blaues Auge schlägt. Es steht heute ein großes Repertoire an Variantenbären zur Verfügung. Selbstgefällige Bären, frustrierte Bären, schulmeisternde Bären, locker scherzende Bären. Heiße und kalte. Aber das Muster bleibt gleich. Nein, wir nehmen uns nicht mehr heraus als die anderen, Gott behüte. Wir verhelfen nur den Regeln zur Geltung, die für alle gelten.
In der Sudbury-Schule Halle/Leipzig gelten nur die Regeln, die explizit von der Schulversammlung aufgestellt & schriftlich niedergelegt wurden. Nichts ist selbstverständlich.
Auf diese Weise werden unzählige implizite, nicht ausgesprochene Regeln entlarvt, die (den Erwachsenen!) im Kopf herumspuken. Weil sie es "so gelernt haben". Oder "weil wir das schon immer so gemacht haben". Pustekuchen! Über jede Regel wird verhandelt - unter Freien & Gleichen.
Boah, ist das geil!!!!!!!

Übrigens habe ich Michail Bakunin, der hauptsächlich meinen Weg zum Anarchismus geprägt hat, inzwischen echt gefressen. In seinem Buch ">Gott und der Staat schreibt er nämlich:
Das Autoritätsprinzip bildet bei der Kindererziehung den natürlichen Ausgangspunkt; es ist rechtmäßig, notwendig, wenn es auf Kinder in niedrigem Alter angewendet wird, deren Intelligenz noch in keiner Weise entwickelt ist. Da aber die Entwicklung jeder Sache, folglich auch die der Erziehung, die allmähliche Verneinung des Ausgangspunktes bildet, muß sich das Autoritätsprinzip gradweise mit dem Fortschritt der Erziehung und des Unterrichts der Kinder vermindern und ihrer wachsenden Freiheit Platz machen. Jede vernünftige Erziehung ist im Grunde nichts anderes als diese fortschreitende Opferung der Autorität zum Nutzen der Freiheit, da der Endzweck der Erziehung kein anderer sein soll als der, Menschen zu bilden, die frei sind und die Freiheit anderer achten und lieben. So muß der erste Schultag, wenn die Schule Kinder niedrigen Alters aufnimmt, die kaum einige Worte zu stammeln vermögen, der Tag der größten Autorität und beinahe vollständiger Abwesenheit der Freiheit sein, der letzte Schultag aber der der größten Freiheit und der absoluten Beseitigung jeder Spur des tierischen oder göttlichen Prinzips der Autorität.
Ätzend!! Diese bodenlose Überheblichkeit! Als seien (Schul-) Kinder noch keine Menschen!
Da halte ich noch mal den Artikel Subjekt Kind gegen, den ich während des Ökodorf-Festivals gelesen habe.


Stefan Fuchs (Geschäftsführer der staffadvance GmbH) hielt einen Vortrag "Überlegungen zu Sudbury aus der Perspektive der Wirtschaft". Darin erwähnte er den Sudbury Business Club, ein Netzwerk von Unternehmern, die das Sudbury-Modell unterstützen.
Inhaltlich nannte er zum einen den Trend bei der Personalauswahl, dass Abschlüsse & Zeugnisse zunehmend an Bedeutung verlieren. Neue MitarbeiterInnen wachsen über längere Zeit in den Betrieb hinein - wer kann schon anhand eines Zeugnisses beurteilen, ob dieser Mensch gut in den Betrieb passt oder nicht? Genauso wenig kann einE BewerberIn beurteilen, ob diese Stelle in diesem Unternehmen das Richtige ist, ohne dort einige Wochen bis Monate gearbeitet zu haben.
Weiterhin werden (in den Augen der Personaler!) Fähigkeiten immer wichtiger, die sich nicht in Noten ausdrücken lassen. Soziale Kompetenz, "Teamfähigkeit" oder "soft skills" lauten die Schlagworte.
Gerade Unternehmer bemängeln die Qualität der Schulbildung in Deutschland. Vor allem bei persönlichen & sozialen Kompetenzen erleben sie starke Defizite.
Hier stellt Stefan Fuchs stellvertretend die Frage: Tun wir die Dinge richtig - oder tun wir die richtigen Dinge? Wenn wir die falschen Dinge tun, ist eine radikale Kurskorrektur notwendig, blosses Herumdoktern an den Symptomen/mehr desselben (der Versuch, die Dinge die wir zur Zeit tun, besser zu tun, anstatt gleich die richtigen Dinge zu tun) reicht nicht aus.
Wesentliche Änderungen hat es auch bei der Mitarbeiterführung gegeben. Fuchs unterscheidet zwischen dem autoritären Führungsstil:
  1. Führungskraft bewertet Untergebene
  2. & zwar nur von oben nach unten
  3. bei Problemen: Suche nach Schuldigen
  4. Schwächen beheben
& dem kooperativen Führungsstil:
  1. Führungskräfte geben Feedback, übernehmen Funktion des Coach
  2. Feedback in beide Richtungen
  3. bei Problemen: aus Fehlern lernen, es das nächste Mal besser zu machen
  4. Stärken fördern
Der kooperative Führungsstil überwiegt inzwischen in Unternehmen (an dieser Stelle muss ich unbedingt auf das Business Reframing von Wolfgang Berger verweisen, der sogar noch radikaler ist), & es ist klar, welche Art von Schulen an welchen Führungsstil angepasst ist.
Bei der Personalentwicklung kommt es zunehmend darauf an, wie MitarbeiterInnen Verhandlungen führen, wie sie mit Kunden oder auch anderen Abteilungen umgehen.
Zum Thema Motivation sagt übrigens Reinhard Sprenger: andere zu etwas motivieren, das die nicht von vornherein selber wollen, funktioniert nicht. Intrinsische Motivation heisst das Zauberwort, & wenn Menschen aus sich selbst heraus handeln, stellt sich leicht ein Flow-Erlebnis ein. In Sudbury-Schulen passiert das sehr häufig. ^^
Aus all diesen Gründen erlebt Stefan Fuchs häufig grossen Respekt von Unternehmern der Sudbury-Schule gegenüber. Ein Grund für alle, die daran mitarbeiten, stolz auf ihre Schule zu sein!
Als letzten Punkt nannte Fuchs den Übergang zur Wissensgesellschaft, der hierzulande schon weitestgehend vollzogen ist. Allerdings steckt unser Denken noch in der Industriegesellschaft, was sich in eng vorgegebenen Lehrplänen, streng nach Fächern getrenntem Unterricht oder auch den klar umrissenen Berufsbildern in Ausbildungsordnungen äussert.
All diese Strukturen gibt es in Sudbury-Schulen nicht. Dafür werden die SchülerInnen dort optimal auf Lebenslanges Lernen vorbereitet.
Aus all diesen Beobachtungen fordert Stefan Fuchs (& mit ihm viele andere UnternehmerInnen) einen Paradigmenwechsel in der Bildung. Es gilt, die drei Fragen
  • Warum lernen wir etwas?
  • Was lernen wir?
  • Wie lernen wir das?
kritisch & unerschrocken zu stellen.

Die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) fordert in ihrer Studie Wettbewerb und Privatisierung im Bildungswesen, dass der Staat sein Bildungsmonopol abgibt. An sich unterstütze ich das, allerdings heisst das in Zeiten des Neoliberalismus Privatisierung (siehe GATS), & so verbindet auch die ASU ihre Forderung mit Studiengebühren & Schulgebühren.
Auch solche Gebühren kann ich grundsätzlich gut heissen, allerdings nur wenn die grossen sozial-ökonomischen Unterschiede zwischen den Menschen stark nivelliert werden. Freie Kooperation zwischen Kindern von ALG II-EmpfängerInnen & Millionärs-Söhnen & -Töchtern ist nicht möglich in einem privatisierten Bildungsmarkt. Es muss also noch ein Mechanismus her wie ein Grundeinkommen, kombiniert mit grosszügigen Stipendienprogrammen. Erst unter dieser Voraussetzung kann ich die Forderung der ASU unterstützen. Dann allerdings kann ein Wettbewerb zwischen Bildungsträgern wahre Wunder wirken. Wie die Regeln eines Marktes beschaffen sind, darüber kann ja auch verhandelt werden. & wer sagt, dass die Teilnehmer eines Marktes immer die Profitmaximierung zum Ziel haben müssen?

Ein Hinweis: Der tologo verlag, der auch Bücher über Sudbury veröffentlicht, sucht AutorInnen!

Zum Abschluss noch ein Haufen Links zum Thema Kinderrechte:

Freitag, 27. Januar 2006

Herrschaftszeiten

Ihr wart lange genug Figuren in einem Uhrwerk, das ihr nicht gebaut habt.
Hört auf damit.

Ihr lebt in einer Welt, in der es keinen erhöhten Punkt gibt, von dem aus man besser sehen könnte als durch eure Augen. Ihr seid die einzigen: es wird niemand anders kommen, der für euch sorgt. Ihr seid so gut wie jeder andere; also könnt ihr so gut wie jeder andere Einfluss auf die Regeln nehmen.
Hört auf, euch auf das zu verlassen, was euch weder frei noch gleich machen wird.
Seid unzufrieden mit euch und mit anderen. Verliert den Respekt.

Nehmt euch die Regeln vor.

Rüstet ab: euch und andere. Verhandelt; respektiert euch und alle anderen als Menschen, die verhandeln. Lernt das, was notwendig ist, um Vorschläge zu machen. Begreift, dass ihr Privilegien habt und akzeptiert, dass es notwendige Kompensationen gibt. Organisiert euch. Wo immer ihr geht und steht und was immer es heißt: organisiert euch!
Wenn eine Kooperation euch nicht zusagt, verhandelt. Wenn die Verhandlung nicht zu einem Ergebnis führt, mit dem ihr zufrieden seid, trennt euch. Wenn ihr euch nicht trennen könnt, trennt euch so weit als möglich. Wenn das Ergebnis euch nicht zusagt, verhandelt neu.
Wenn man euch nicht verhandeln lässt, übt Druck aus: schränkt eure Kooperation ein, oder stellt sie unter Bedingungen. Wenn man euch zwingt, wendet Gewalt an.
Wendet so wenig und so reversible Gewalt an wie möglich, aber so viel wie nötig. Denkt daran, dass Gewalt vielerlei bedeuten kann, und dass sie nur dazu dient, dem Zwang zu begegnen, mittels dessen man euch weder verhandeln noch fair gehen lässt.
Achtet keinen Besitz, keine Verfügung, keine Regeln, nur weil sie bestehen. Verlangt das auch nicht von anderen. Respektiert den Fakt, dass ihr immer irgendeine Struktur vorfinden werdet, aber nicht das Recht, das darin angeblich liegt.
Ordnet alle eure Beziehungen - alle privaten, politischen, gesellschaftlichen, die zu Einzelnen, zu Gruppen, zum Ganzen - nach dem Bild von Beziehungen zwischen Menschen, die sich als frei und gleich betrachten. Menschen, die gehen können; die verhandeln; die sich weigern, aufkündigen, zurückziehen, einschränken, Bedingungen stellen. Die das nicht immer erklären können müssen. Menschen, die das auch wirklich tun, immer wieder.
Lernt das zu schätzen, auch wenn es nicht bequem ist. Es ist das Tor zur Welt, zu einer Welt, die mehr ist als ihr selbst. Ändert Besitz, Verfügung, Regeln so, dass der Preis für alle vergleichbar und vertretbar ist, die Kooperation zu verlassen oder einzuschränken. Erwartet nicht, dass das über Nacht geht. Wartet nicht darauf, dass es irgendwann geht. Lasst euch nicht abspeisen damit, es werde von allein geschehen.
Organisiert euch. Übt Druck aus. Und immer wieder: verhandelt.

Es gibt nichts anderes.
Glaubt niemand, der euch Regeln aufschwatzen will, die das überflüssig machen sollen.

Räumt alles weg, was zwischen euch und der Möglichkeit steht, so zu leben. Tut es nicht blindlings. Aber tut es gründlich. Tut es nicht allein. Wenn ihr es allein tut, seid vorsichtig.
Seid radikal: Spart keine eurer Beziehungen aus. Lasst euch nicht frustrieren. Geht den Weg bis zum Ende.

Seid die Letzten. Verneigt euch nicht.

Aus: Christoph Spehr: Gleicher als andere. Eine Grundlegung der freien Kooperation

Was ich in diesem Blog bisher über Bücher & andere Texte geschrieben habe als Empfehlung, diese zu lesen, waren einfache Empfehlungen. Heute nun flehe ich Dich von ganzem Herzen an, diesen Text zu lesen!!! Er ist verdammt wichtig, gerade für Menschen, die in Gemeinschaft leben oder sich dafür interessieren - aber auch für alle anderen! Es geht um die Frage, was ist unter emanzipatorischer Politik heute zu verstehen & wie setzen wir das um.
Spehr führt viele meiner Gedanken konsequent weiter, die ich in meinem Beitrag zum KommuneBuch sowie über das Spannungsfeld von linker Politik & Spiritualität geschrieben hatte. Ich habe den Text auch zum Anlass genommen, noch einige meiner älteren Texte zu veröffentlichen. Das Buch hab ich mir bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung gerade in Papierform bestellt; so einen Text muss ich vor mir liegen haben, damit ich darin herumschmieren, damit arbeiten kann.

Ich kapituliere vor dem Versuch, die mir am wichtigsten erscheinenden Passagen des Textes zu zitieren. Es wären immer noch zig Seiten. Deshalb bringe ich nur einige Häppchen als Appetitanreger.

Mir ging beim Lesen des Textes immer wieder eine Strophe aus dem Arbeitereinheitsfrontlied (in der Version von Ton Steine Scherben) im Kopf herum:

Und weil der Mensch ein Mensch ist,
d'rum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern.
Er will unter sich keine Sklaven sehen
und über sich keine Herren.



Zukünftige ArchäologInnen, die unsere Zivilisation ausgraben, wären erstaunt über die unglaubliche Menge an Artefakten, die diese Zivilisation des demokratischen Zeitalters hervorgebracht hat: Raumfahrtzentren und Endlagerstätten, Kraftwerke und Fabrikhallen, Börsen und Konzertsäle, Business-Center und Paläste des privaten Luxus. Die ArchäologInnen der Zukunft würden dieselbe Schlussfolgerung ziehen wie wir, wenn wir die Pyramiden von Gizeh, die Tempel von Angkor Wat oder die Große Chinesische Mauer betrachten: dass diese Artefakte das Werk von Sklavenarbeit gewesen sein müssen, sehr wahrscheinlich Kriegsgefangene oder gewaltsam Verschleppte, und deren Kinder und Kindeskinder. Damit wären sie nicht weit weg von der Wahrheit.
Die Artefakte des demokratischen Zeitalters sind in der Tat Sklavenarbeit. Sie sind die Arbeit von Sklaven und Sklavinnen der heutigen Weltordnung; von Kriegsgefangenen in einem allgemeinen Wirtschaftskrieg der Reichen gegen die Armen; von Verschleppten durch die Gewalt der Not oder fehlender Alternativen. Man drehe die Gegenstände auf dem Tisch um, sehe nach, wo sie gemacht werden, frage, warum sie dort gemacht werden: Weil Arbeit dort billig und verfügbar ist. Man gehe der Frage nach, bei welchen Arbeiten in letzter Instanz alles endet oder anfängt, frage nach ihrer Stellung, Wertschätzung, ihren Bedingungen: Man findet preiswerte Hausarbeit und Kinderbetreuung durch Frauen; Billigstarbeit von MigrantInnen und WanderarbeiterInnen auf Baustellen und beim Müllsortieren; häufig illegale, ungeschützte Arbeit derer, die ohne dieses Zubrot nicht existieren können, bei allen Arten von Bedienen, Saubermachen, Transport; Billigstarbeit in Ländern des Südens beim Rohstoffabbau, beim Nahrungsmittelanbau, bei der Fertigung in Freien Produktionszonen, in der Sexarbeit.
Man stelle die Frage, was von den Artefakten zustandekommen würde, wenn diejenigen, deren Arbeit darin gerinnt, aus freien Stücken übereinkommen müssten, sie zu bauen oder zu ihnen beizutragen. Wenn sie aus eigener Motivation dafür Zeit und Kraft bereitstellen müssten, und nicht aus dem Zwang heraus, sich in der einen oder anderen Form dafür zu verdingen. Es wären wenige der Artefakte, die übrig blieben.

In dieser Richtung habe ich mir vor fünf Jahren schon Gedanken gemacht: KapitaStalinismus
Was ich damals über Marx & Lenin schrieb, stimmt für mich heute nicht mehr, ändert aber nichts an der Grundidee.

Der folgende Absatz verdeutlicht, wie umfassend im "demokratischen Zeitalter", wie Spehr es nennt, Herrschaft in alle menschlichen Beziehungen & sogar in das Denken eingedrungen ist:
Herrschaft richtet die Welt so und so ein.
Sie schafft eine Welt, wie sie der Herrschende sich erträumt, indem er über den Beherrschten verfügt.
Die Rede ist hier also von einem verallgemeinerten Begriff von Herrschaft, der aus der Konfrontation konkreter Erfahrungen gewonnen wird, nicht von einem allgemeinen, abstrakt hergeleiteten. Wir kommen auch bei der Suche nach einem verallgemeinerten Begriff nicht ohne Urbilder aus, ob wir sie beschreiben oder nur mitklingen lassen, weil allgemeine Begriffe von Herrschaft immer eine Abstraktion bleiben, die ihren Nutzen für konkrete Unterdrükungsverhältnisse beweisen müssen.
Wenn wir uns also auf dem dünnen Eis eines verallgemeinerten Begriffs von Herrschaft bewegen wollen, dann können wir sagen: Herrschaft ist erzwungene soziale Kooperation. Die Kooperation ist erzwungen, weil die eine Seite sich nicht aus ihr lösen kann, weil sie nicht darüber bestimmen kann, was sie einbringt und unter welchen Bedingungen, weil sie keinen oder nur geringen Einfluss auf die Regeln der Kooperation hat.
Die zeitgenössische Sklavenhaltergesellschaft versucht, Herrschaft die Nähe zu den erwähnten Urbildern zu nehmen. Matrix stellt ein anderes Urbild vor, um die postmoderne Realität von Herrschaft sichtbar zu machen. Wir bekommen eine Gesellschaft gezeigt, in der all die hässlichen klassischen Urbilder an den Rand gedrängt sind und wir uns augenscheinlich frei und gleich bewegen. Nur ist das nicht die Wirklichkeit, sondern eine virtuelle Inszenierung. In Wahrheit ist die Struktur der Verfügung und erzwungenen Kooperation total. Wir sehen das aber normalerweise nicht, obwohl es Hinweise gibt und ein unbestimmtes Gefühl. Wir sind Opfer der »Matrix«, der Welt, die uns über die Augen gezogen wird: der Selbstinszenierung einer demokratischen Gesellschaft, die von sich behauptet, dass sie gegen die klassischen Urbilder kämpft und dass sie selbst nicht herrschaftsförmig ist. Dieses virtuelle Welt macht uns blind gegenüber der Realität: dass wir Sklaven sind. Verfügbar. Regeln und Kontrollen unterworfen, denen wir uns nicht entziehen und über die wir nicht bestimmen können. Den ganzen Tag, mit all unseren Empfindungen und Fähigkeiten; bis ans Ende unserer Tage und bis in die siebte Generation. Sehen können wir das, wenn wir die oben genannte Definition von Herrschaft anwenden. Fast alles ist erzwungene Kooperation. Auf die Frage »Was ist die Matrix?« lautet die Antwort: Die Matrix ist die Inszenierung des Sozialen, aus der die Idee der freien Kooperation vollständig ausgetrieben ist. Dadurch bewirkt sie, dass wir die Stäbe unseres Gefängnisses weder riechen, noch schmecken, noch berühren können. Wir nehmen unser Gefängnis überall hin mit, wohin wir auch gehen, in jedes konkrete Verhältnis. Und das Ausmaß, in dem wir in Wirklichkeit versklavt sind, ist weit totaler als das jeder antiken oder bürgerlichen Sklavenhaltergesellschaft vor uns.

In meinem Artikel "Wir" FÜR uns Selbst statt "Ich" GEGEN den rest der welt von 2002 habe ich die Matrix als "FSK" bezeichnet - Freiwillige Selbstkontrolle.

Das Thema des Textes ist Freie Kooperation, die Spehr so bestimmt:
Wir kennen nur eine Wirklichkeit, die des Sozialen. Aus ihr beziehen wir all unsere Maßstäbe, sie macht unser Leben aus. Alles menschliche Leben ist Interaktion, Beziehung, Kooperation. Dies ist auch der Ort, wo Freiheit und Gleichheit stattfinden. Sie finden nicht später statt, sondern hier und jetzt.
Jede menschliche Tätigkeit beruht auf der Kollektivität und Historizität von Arbeit und Natur. Was immer wir tun, wir nutzen dabei die Arbeit und Natur anderer. Wenn Freiheit bedeuten sollte, dass wir das möglichst ungehemmt und ohne Beschränkungen tun sollten, dann wäre Freiheit immer nur auf Kosten der Unfreiheit anderer möglich. Eine Freiheit aber, deren Grenzen von einer übergeordneten Instanz »erkannt« und gesetzt würden, wäre totale Unfreiheit dieser Instanz gegenüber. Beides wären überdies blinde, monadische Begriffe von Freiheit, die der lebendigen Auseinandersetzung mit anderen keinen Platz und keinen Wert zuweisen; ich bliebe auf mich zurückgeworfen, die Grenzen meiner Sichtweise wären auch die Grenzen meiner Welt, was auch nichts anderes als eine Form der Gefangenschaft ist.
Ein radikaler Begriff von Freiheit kann daher nur einer sein, der von Freiheit in der Kooperation handelt: frei bin ich, wenn ich in meiner Verhandlung mit anderen frei bin, d. h. von keiner Instanz behindert und von niemand durch Zwang beschränkt. Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass ich anderen in der Kooperation gleich bin: dass meine Kooperation keine erzwungene ist, sondern dass ich darüber mit anderen auf gleicher Ebene verhandeln kann, und dass dabei auch niemand über mir ist, dessen Regeln und Kontrolle ich unterworfen bin. Ein radikaler Begriff von Freiheit und von Gleichheit fallen zusammen.
Freie Kooperation, wie sie hier definiert wird, hat drei Bestimmungen. Freie Kooperation liegt vor, wenn
– die überkommene Verteilung von Verfügungsgewalt, Besitz, Arbeit und die überkommenen Regeln nicht sakrosankt sind, ihnen also kein »höheres Recht« zukommt, sondern sie vollständig zur Disposition stehen, d. h. von den Beteiligten der Kooperation jederzeit neu ausgehandelt werden können;
– alle Beteiligten frei sind, die Kooperation zu verlassen, ihre Kooperationsleistung einzuschränken oder unter Bedingungen zu stellen, und dadurch Einfluss auf die Regeln der Kooperation zu nehmen;
– alle Beteiligten insofern gleich sind, als sie dies zu einem vergleichbaren und vertretbaren Preis tun können; d. h. dass der Preis dafür, die Kooperation zu verlassen bzw. die eigenen Kooperationsleistungen einzuschränken oder unter Bedingungen zu stellen, für alle Beteiligten ähnlich hoch (oder niedrig), aber auf jeden Fall zumutbar sein muss.
Vereinfacht gesagt: In einer freien Kooperation kann über alles verhandelt werden; es dürfen alle verhandeln; und es können auch alle verhandeln, weil sie es sich in ähnlicher Weise leisten können, ihren Einsatz in Frage zu stellen.
Die Freiheit zu verhandeln schließt die Freiheit ein, Verhandlungen scheitern zu lassen und zu gehen - »den Baum zu wechseln«, um es mit Rousseau zu sagen. Die Gleichheit der Beteiligten schließt dabei ein, dass sie nicht mit leeren Händen gehen, sondern einen Anteil an den bisherigen Früchten der Kooperation aus dieser herauslösen und in ihre eigene Verfügung zurückführen können. Auch dieser Anteil bemisst sich nicht mathematisch, sondern nach dem Prinzip der Gleichheit: Es soll für die einen nicht wesentlich schlimmer sein, die Kooperation zu verlassen oder sie scheitern zu lassen, als für die anderen.
Die Definition gibt keine formalisierten Verfahren des Verhandelns oder der Entscheidungsfindung vor. Für solche Verfahren gilt dasselbe wie für alle anderen Regeln auch: Sie genießen kein höheres Recht, sie sind der Verhandlung nicht entzogen. Verhandeln meint hier den realen Prozess, auf den alles immer wieder zurückgeht: »Nein, wenn nicht ...«


Dass ich eine Kooperation auch aufkündigen kann, ist das entscheidende Merkmal von freier Kooperation. Meine Mitgliedschaft in der Kooperation "Deutschland" zu kündigen, also meinen Pass zurückgeben (wie es die Schenker getan haben), ist in einem Staat nicht vorgesehen. Damit gibt sich der Staat als Form von erzwungener Kooperation = Herrschaft zu erkennen. Gut, in diesem Fall ist das eine Binsenweisheit. Das Prinzip gilt überall, wo Menschen kooperieren. Tun sie das wirklich freiwillig? heisst im Extremfall nichts anderes als können sie gehen, wenn sie nicht mehr kooperieren wollen? Sofern ihnen etwas an dieser besonderen Kooperation gelegen ist heisst die Frage dann können sie die Regeln der Kooperation ändern, wenn ihnen diese nicht passen?
Das alles unter zumutbaren Kosten, wobei das nicht notwendig Geld sein muss. Beispiel: Eine Gemeinschaft, die ohne Geld lebt, sich aber stark von der umgebenden Gesellschaft abkapselt, macht es auf diese Weise ihren Mitgliedern schwer, die Gemeinschaft nach längerer Zeit wieder zu verlassen. Die Kosten bestehen dann darin, seine wichtigsten sozialen Kontakte abzubrechen.

Mit Demokratie hat freie Kooperation gerade nichts zu tun:
Wenn fünf Leute einen sechsten verprügeln, wird die Sache dadurch nicht besser, dass sie vorher mit 5:1 eine demokratische Abstimmung durchgeführt haben. Demokratisierung bedeutet meistens, dass die soziale Eingriffstiefe herrschender Strategien vorangetrieben wird - Partizipation begrenzt hier nicht Macht, sondern wird ihr Transmissionsriemen nach unten, zu den einzelnen Menschen, zum Alltag, zur konkreten »Mikropolitik«. Demokratie verbürgt also keineswegs Emanzipation, und Emanzipation im demokratischen Zeitalter bedeutet immer auch Schutz vor »Demokratisierung«, d. h. vor dem Anspruch anderer, im eigenen Leben herumzupfuschen.
In meinem Text Was ist eigentlich "Politik"? habe ich mich mit diesem Thema auch schon beschäftigt.

Emanzipation bedeutet, sich aus erzwungenen Kooperationen zu befreien und freie Kooperationen aufzubauen. Beides ist notwendig. Der Wegfall des Alten verbürgt nicht automatisch das Neue. Emanzipationskämpfe finden in der Situation statt, wo der Preis nicht vergleichbar ist. Sie verlaufen darüber, dass man es hart auf hart kommen lässt: Kooperationen verlässt oder Kooperationsleistungen einschränkt, obwohl der Preis dafür unter Umständen höher ist als für die Gegenseite - weil man entschlossen ist, genau diese Situation zu verändern. Linke Politik bedeutet, andere Emanzipationskämpfe zu erkennen und anzuerkennen und sich dabei gegenseitig zu unterstützen, um das Prinzip der freien Kooperation zu stärken und seinen Einfluss zu vergrößern.
Das Umgekehrte ist ebenfalls möglich. Auch aus der Situation einer freien Kooperation heraus sind Herrschaftsstrategien möglich; umso leichter, als freie Kooperation immer ein Näherungswert ist, ein dynamischer Prozess, kein für alle Zeiten konservierbares Gleichgewicht. Deshalb wird es immer Emanzipationskämpfe geben, und deshalb wird nie der Zustand erreicht, wo eine linke Politik nicht mehr nötig wäre.

Die Theorie der freien Kooperation stellt keine fixen Modelle auf, wie die »gute Gesellschaft«, das »richtige Leben«, die »korrekte Beziehung«, die »gesunde Lebensführung« etc. auszusehen hat. Sie versucht nicht, die Welt zu verbessern, sondern nur, den Menschen den Rücken zu stärken.
Diese Definition von linker Politik ist die erste, hinter der ich voll stehen kann. Von heute an bezeichne ich mich offen als linksradikal & kann auch genau erklären was ich damit meine. Dafür geht mein herzlicher Dank an Christoph Spehr!

Freie Kooperation heißt, diese Logik des Sozialen auf alle Arten und Bereiche von Kooperation anzuwenden und das zu verändern, was ihr entgegensteht. Es ist eine Utopie in Echtzeit. Sie dehnt sich aus und radikalisiert sich - in dem Sinne, dass sie breiter, umfassender und gründlicher wird. Wir brauchen keine utopische Gesellschaft, um damit anfangen zu können. In einem gewissen Sinne ist es egal, wo wir anfangen. Die Frage ist nur, wie weit wir gehen.
In anarchistischer Terminologie geht es hier um direkte aktion!

Spehr kommt auf anderem Wege als Götz Werner darauf, ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen zu fordern. Damit wäre die wesentliche ökonomische Basis geschaffen dafür, dass die Menschen einander tatsächlich als Freie & Gleiche begegnen können.

Spehr hat allerdings einen blinden Fleck: Das Geldsystem. Solange das nicht in freier Kooperation organisiert ist, spielt in jede ansonsten "freie" Kooperation ganz massiv die Herrschaftsstruktur der Verfügung über Geld & erst recht der Verfügung über den Geldschöpfungsprozess hinein. Mehr dazu im Beitrag über Eine Billion Dollar.

Auch für die ökonomische Kreativität der real life economics oder einer Wirtschaft von unten findet sich hier das zentrale Kriterium, ob eine andere Logik von Arbeit als Kooperation entsteht oder lediglich selbstorganisierte Verfügbarkeit. Dieses Kriterium lautet: die Verfügbarkeit in der Arbeit abzubauen; allen Strukturen gegenzusteuern, wo die einen »liefern« und die anderen bestimmen; ökonomische Einheiten jeder Art grundsätzlich als Kooperationen aufzufassen und nach dem Leitbild freier Kooperation einzurichten. Wenn es irgendetwas gibt, was wir uns unter »wirtschaftlicher Freiheit« vorstellen können, dann ist es das.
Damit ist die Leitlinie des geplanten Kongresses zur Solidarökonomie vorgegeben!

Gerade für Gemeinschaften schätze ich die Politik der Anerkennung als ein Bestandteil von Freier Kooperation als extrem wichtig ein:
Eine Politik der Anerkennung ist etwas anderes als die liberale Idee der Toleranz - wonach jeder nach seiner Fasson selig werden mag, solange er bestimmte Grenzen einhält, bezüglich derer es wiederum keine Toleranz gibt. Anerkennung braucht den Konflikt und die Auseinandersetzung. Wir können Anderssein akzeptieren und als eine produktive Praxis begreifen, wenn wir dieses Anderssein kennen gelernt und zumindest Umrisse davon begriffen haben.
Das ist keine selbstlose Haltung; wir tun es, weil wir kooperieren wollen. Und wir tun es, weil wir uns selbst damit verändern können. Das Problematische am Anderssein ist meist nicht, dass uns etwas fremd und unbekannt ist, sondern dass es unterschwellige Bezüge aufweist zu Teilen und Aspekten von uns selbst, die wir verdrängen, unterdrücken, kontrollieren, ablehnen. Vieles davon ist Projektion, einiges davon ist real. Und durch dieses wirre Gelände von Anderssein und versteckter Ähnlichkeit, Projektion und realem Unterschied, Abgestoßensein und Angezogensein müssen wir durch, wenn wir als Subjekte kooperieren wollen. Billiger geht es nicht, wenn unsere Kooperation nicht brüchig und oberflächlich sein soll.
Anerkennung beginnt damit, etwas/jemand als anders zuzulassen und nicht nur als Abweichung.
(Hervorhebung von mir)
Langfristig lebensfähige Gemeinschaften dürfen ihre Mitgliede nicht gleichschalten, sondern als Individuen anerkennen. Der Unterschied ist sehr subtil & lässt sich an den Formulierungen "Das sind die anderen" vs. "Das sind Menschen, die anders sind" erkennen. Menschen, die anders sind, das sind wir alle. JedeR ist anders als alle anderen. In diesem Zusammenhang fällt mir Emmanuel Lévinas ein, von dem ich zwar selbst noch nichts gelesen habe, der mir jedoch nicht mehr aus dem Kopf geht, seit ich einen Artikel über ihn gelesen habe.


Zwei Lesetipps aus dem Text:
Gayatri Spivak: The Post-Colonial Critic
Octavia Butler: "Xenogenesis"-Trilogie


Das "Putzfrauen-Dilemma", das vorgeschoben wird um das "Putzfrauen-Prinzip" durchzusetzen ("Du musst weniger kosten als ich. Und: Du musst akzeptieren,dass ich den Preis festsetze, so dass du weniger kostest als ich. Und zwar deutlich weniger."), zeigt unsere persönliche Verstrickung in das allumfassende Herrschafts-System. Dazu hatte ich schon angesichts des GfK-Workshops beim Ökodorf-Festival Gedanken gemacht.
Analog zu dem Begriff der "Inneren Friedensarbeit", wie er in Tamera & im ZEGG verwendet wird, um zu beschreiben, dass "äussere Friedensarbeit" allein nicht ausreicht, fiel mir der Begriff Innerer Anarchismus ein. Der meint, mich beständig damit auseinanderzusetzen, wo ich selber andere beherrsche & auch, wo ich mich selbst beherrsche. Solange ich das nämlich tue, kann ich noch so viel Anarchie im Aussen einfordern, die Herrrschaft bleibt - in mir - bestehen.
& analog zur Gewaltfreien Kommunikation übe ich mich fortan in Herrschaftsfreier Kommunikation (positiv formuliert Emanzipatorische Kommunikation).
Herrschaftsfreiheit ist mir wichtiger als Gewaltfreiheit!

Auf Burg Lutter begegnete mir auf einem Flyer ein Schamanisches Herrscherseminar. Mal sehen, ob ich das mal mitmache.


So, das waren die Appetitanreger. Deine Aufgabe ist nun: Den Text als PDF runterladen & in Ruhe durchlesen! Auf geht's!

Montag, 16. Januar 2006

Killer Coke

Murder. It's the real thing.

In einem Telepolis-Artikel erfahre ich von den tödlichen Nebenwirkungen von Coca Cola - jedenfalls wenn mensch als Gewerkschaftler in Kolumbien bei diesem Konzern arbeitet.
Nestlé ist übrigens auch nicht besser. & Lidl wiederum lässt zwar niemanden umbringen, aber sobald irgendwo jemand auf die Idee kommt, einen Betriebsrat gründen zu wollen, schliessen die einfach die Filiale oder wenden ähnlich dreckige Methoden an.

Soll ich weitermachen?

Übrigens, das Wort Boykott geht auf den englischen Grundstücksmakler Charles Cunningham Boycott in Irland zurück. ;-)

Montag, 5. Dezember 2005

Dub ist Deutschland

Aber erst mal die Sendung mit der Maus:
Klingt komisch. Ist aber so.

...& nun die "Jamaika-Koalition":
Dub ist Deutschland

Es ist einfach immer wieder gut! :-D

Freitag, 2. Dezember 2005

Gandhis Ziviler Ungehorsam in Richard Attenboroughs Film

Gestern Abend lief im "Spatz" der biografische Spielfilm über Gandhi. Den hatte ich vor über zehn Jahren gesehen, dem entsprechend anders habe ich ihn mir jetzt angeschaut. Doch die Szene, in der die Soldaten die unbewaffneten DemonstrantInnen niederschiessen, brachte mich wie damals zum Weinen. Mich hat der Film dieses Mal viel stärker berührt als mit 15 Jahren.

Was Ziviler Ungehorsam bedeutet, wurde mir sehr deutlich. Gandhis zentrale Aussage ist
Die Ungerechtigkeit sichtbar machen
Genau damit arbeitet Ziviler Ungehorsam; & deshalb ist die Präsenz der Medien dabei auch so wichtig.

Vor ein paar Wochen habe ich in einem Restaurant im Spiegel-Artikel über Die Revolutions-GmbH (nur gegen Entgelt zu lesen) von Gene Sharp & dessen Buch From Dictatorship to Democracy erfahren. Das Buch gibt es, neben vielen anderen Schriften zu Gewaltfreien Aktionen, beim Albert Einstein Institute als PDF zum Download.
Übrigens haben die Leute vom International Center on Nonviolent Conflict ein Computerspiel A Force More Powerful entwickelt (da gibt's auch ein Buch & einen Film gleichen Titels), in dem Du gewaltfreien Widerstand virtuell einüben kannst.

Dass die US-Regierung diese Methoden & Widerstandsbewegungen auch gezielt für ihre Zwecke zu nutzen versucht, zeigt Oberst a.D. Robert Helvey, der durch Gene Sharp auf gewaltfreie Aktionen aufmerksam wurde.
Kritische Artikel über ihn & Gene Sharp sind z.B. The Albert Einstein Institution: non-violence according to the CIA & Coup d'État in Disguise: Washington's New World Order "Democratization" Template.
Die Frage bei all dem ist, inwieweit hat die US-Regierung bzw. ihre Geheimdienste solche Bewegungen tatsächlich unter Kontrolle? & kann nicht bei einem solchen - im Gegensatz zu Kosovo-, Afghanistan- & Irakkrieg - gewaltfreien Umsturz etwas Gutes auch für die Menschen des jeweiligen Landes herauskommen?

Kontakt

Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
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Intro

Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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Frei
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