AgitProp

Samstag, 26. November 2005

Du bist Deutschland - wie 1935 so auch heute!

Du bist Deutschland, Adolf ist Deutschland, Du bist Adolf
Denn DU bist Deutschland - jetzt schlägt's 13!
Mir ist diese Kampagne eh schon suspekt gewesen, aber nach den herzallerliebsten Parodien & der Strafanzeige ist sie bei mir endgültig unten durch.

Deutschland sucks!

Dienstag, 22. November 2005

Und Bahro wirkt doch als Ökofaschist!

Vielleicht hatte er das selber gar nicht kapiert, denn mein Eindruck nach dem Videomitschnitt auf dem Symposium war "der ist viel zu nett, um Faschist zu sein".
Lese ich seine Aussagen, so komme ich nicht umhin, diese als faschistoid zu klassifizieren. Ich beziehe mich dabei vor allem auf Zitate aus dem Buch Die Götter des New Age.

Dabei bin ich mir bewusst, dass der Autor Peter Kratz, wenn er vom "wissenschaftlichen Sozialismus" redet, ebenso einer Ideologie anhängt wie jene die er kritisiert. & gerade die Mehrheitsentscheidungen, die er durch das organizistische Denken des New Age gefährdet sieht, halte ich für zutiefst undemokratisch. Es handelt sich dabei schlicht um die Diktatur der Mehrheit, was mit "Herrschaft des Volkes" so viel zu tun hat wie Ballermann 6 mit spanischer Kultur. Siehe auch die "Diktatur des Proletariats" im ehemaligen Ostblock. Übrigens war das de facto eine Diktatur der Parteiführung & somit auch wieder eine Form der Klassenherrschaft.
& wer die gewaltsame Christianisierung der Kelten & Germanen als Schutzbehauptung von "Alt- und Neofaschisten" abtut, rechtfertigt damit religiösen Imperialismus übelster Art. Das wundert mich ganz besonders, als Peter Kratz doch vermutlich Karlheinz Deschner mit seiner Kirchenkritik voll unterstützt - wie es sich für "gute Linke" gehört. Bei ihm lässt sich all dies nachlesen, was die christlichen Missionare damals - & zwar durchaus auch im Gefolge Karls des Grossen - trieben. Wer nicht glauben wollte, musste dran glauben. So lief das damals. Insofern ist mir völlig unverständlich, wie emanzipatorische Linke diese Tatsachen nicht wahrhaben wollen.

Dennoch trifft Kratz' New Age- & vor allem Bahro-Kritik voll ins Schwarze. Ich betone noch einmal, dass ich nicht die Person Rudolf Bahro für einen Faschisten halte - deshalb habe ich hier getitelt "Bahro wirkte als Ökofaschist". Seine Aussagen in Büchern & Interviews zielen für mich klar auf eine autoritäre, antidemokratische Gesellschaftordnung. Wer diese als Ökofaschismus bezeichnet, weicht damit den Begriff des Faschismus auf & sollte sich dessen bewusst sein. Denn Peter Kratz betont ja selber, dass das New Age gerade keine Gewalt(herrschaft) propagiert, sondern im Sinne von Michel Foucault ohne direkte Gewalt durch Disziplinierung wirken will. Gewaltherrschaft halte ich jedoch für ein konstituierendes Merkmal des (historischen) Faschismus.

Der Text Politische Ökologie von einem Seminar an der Uni Münster nennt Herbert Gruhl als weiteren Denker mit ökofaschistoider Tendenz.


Auf einer Tagung "Politik & Spiritualität" im Frühjahr hat Julio Lambing fünf "Fallstricke der Eso-Szene", wie ich es nannte, vorgestellt:
  1. Die Wahrheit
  2. Trennung Geist (pneuma / lat. spiritus) - Körper (soma) - Seele (psyche) & daraus Überbetonung des Geistigen (Spiritualität)
  3. Evolutionäres Denken
  4. Apokalyptisches Weltbild
  5. den letzten Punkt hab ich vergessen
Lambing hat einen umfangreichen Artikel beim Rabenclan geschrieben, in dem er speziell auf die Neuheiden eingeht: Antidemokratische Strömungen im naturreligiösen Umfeld.

Ich gehe hier noch einmal auf die einzelnen Punkte ein:
Die Wahrheit™ meint so viel wie, dass jemand für sich beansprucht, die Wahrheit zu kennen, & an dieser Wahrheit ist dann auch nicht zu rütteln. Vernünftiges Denken, gar kritisches Hinterfragen wird als "verkopft" abgelehnt.
Der Begriff "Spiritualität" meint ausschliesslich das Geistige, eben Spirituelle. Indigene Kulturen kennen eine solche Trennung, wie sie zuerst die antiken Griechen vornahmen, überhaupt nicht. Ganzheitliches Denken stellt dem gegenüber nur eine Krücke dar, den Versuch, wieder zu verbinden was zuvor erst künstlich getrennt wurde.
Der Vorwurf des Evolutionären Denkens richtet sich nicht gegen die Evolutionstheorie im Gefolge Charles Darwins, sondern gegen die Annahme einer zielgerichteten Evolution sowohl der Natur als auch der menschlichen Kultur. Damit trifft er neben anderen übrigens auch den Historischen Materialismus von Marx & Engels - jedenfalls sofern sie als Automatismus der menschlichen Geschichte verstanden wird. Gefährlich wird dieses Denken nämlich dann, wenn eine bestimmte evolutionäre Richtung als die "richtige" & "natürliche" behauptet wird. JedeR, die/der von dieser angenommenen Evolutionsrichtung abweicht, kann dann als potentiell gefährlich & "unnatürlich" abgestempelt & zwangweise gleichgeschaltet werden. Die Wurzelrassenlehre von Helena Blavatsky, welche von einer vorgegebenen Abfolge immer "besserer" "Menschenrassen" ausgeht, diente den Nazis als mythisch-ideologische Rechtfertigung ihrer Pogrome.
Ein apokalyptisches Weltbild zeichnet sich dadurch aus, dass von einem baldigen Untergang der menschlichen Zivilisation (wenn nicht sogar dem Ende allen Lebens auf der Erde) ausgegangen wird, falls nicht umgehend drastische Massnahmen "das Ruder noch herumreissen". Das hat Martin Marheinecke in seinem Rabenclan-Artikel ausführlich geschildert, so dass ich nur die fatale Wirkung kurz schildere: Ähnlich wie beim evolutionären Denken, nur noch viel drastischer, führt dieses Weltbild dazu, Andersdenkende zu unterdrücken. Denn wenn es nur eine mögliche Rettung der Menschheit gibt, dann sind alle, die diese vermeintliche Rettung ablehnen, Feinde der Menschheit.

Mittwoch, 19. Oktober 2005

Fallstricke der Eso-Szene & warum spirituelle Menschen dennoch politisch sein können & sollen

Das ist vermutlich bis auf Weiteres der letzte Beitrag, der sich kritisch & skeptisch mit New Age/Esoterik/Spiritualität befasst. Unter dem Strich lobe ich die Spiritualität! :-D
Quelle ist in erster Linie das Buch Über alles in der Welt. Esoterik und Leitkultur von Claudia Barth, erschienen im Alibri Verlag (wie auch das Sockenfressende Monster in der Waschmaschine).

Ihre Haupt-Kritik fasst sie besonders kompakt zusammen in folgendem Kommentar zu Clarissa Pinkola Estés, der Autorin des Bestsellers Die Wolfsfrau:
In hegemonialem Wohlstandsdenken verfangen, ignoriert sie die Nöte von Millionen Frauen der Welt, deren Alltag aus Armut, Hunger und Krieg besteht, und die dringend auf eine Änderung der materiellen Verhältnisse angewiesen sind. Mit sattem Bauch lässt es sich einfach auf die Suche nach dem inneren "Heil-Sein" gehen, doch für den Grossteil der Menschheit gilt noch immer das Dilemma: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
(Zur Kritik an der "esoterischen Wende der Frauenbewegung" siehe auch Die mit der Wolfsfrau tanzen.)

Diese Kritik sitzt. Ich habe mir zum Kriterium für Weltanschauungen gemacht: Kann diese Weltanschauung als Herrschaftsideologie benutzt werden? & konkreter: Zu welchem Handeln bringt mich diese Weltanschauung angesichts von Leid?
Nur was sich nicht als Herrschaftsideologie benutzen lässt & was nicht dazu führt, dass ich leidende Wesen ihrem Schicksal überlasse, geht als emanzipatorische Weltanschauung durch. Ich benutze dieses Kriterium praktisch als "ethisches Ockhams Rasiermesser".
Der Glaube an Karma ist dabei schon durchgefallen. Besonders krass finde ich dazu die Äusserungen von Thorwald Dethlefsen. Ich zitiere aus dem Buch von Colin Goldner:
Selbst ein Mörder könne seine Tat "ausschliesslich nur an einem Menschen begehen, der inhaltlich für ein solches Ereignis die Bereitschaft mitbringt. (...) Was das Opfer betrifft, so ist sub specie aeternitatis [unter dem Blickwinkel der Ewigkeit, C.G.] betrachtet, 'alles in Ordnung'; es suchte eine Todessituation und fand sie, indem es einen anderen Menschen zur Schicksalsverwirklichung benützte. Dieser andere mensch, der Mörder, hat mit der Tat seinem Opfer 'einen Gefallen erwiesen'. (...) Jeder gebraucht zur Verwirklichung seines eigenen Schicksals fast immer andere Menschen, denen er meist, statt dankbar zu sein, Schuld zuschiebt." (Dethlefsen, Thorwald: Das Leben nach dem Leben: Gespräche mit Wiedergeborenen. München, 1974)
Herrschaftsideologie? Herrschaftsideologie! & bekanntlich hat die Vorstellung des "karmischen Kontos" jahrtausendelang das indische Kastensystem ideologisch gestützt.

Dass die Kontinuität der Verbindung von esoterischem mit rechtem Gedankengut ungebrochen ist, zeigt exemplarisch das Thule-Seminar. Mit dieser Thematik beschäftigt sich - aus der Perspektive der Neuheiden - der Rabenclan e.V., es lohnt sich in deren Webseiten zu stöbern.

Übrigens werde ich bei Gelegenheit mal genauer in das Buch "Logik der Rettung" von Rudolf Bahro reinschauen. Was ich da an Zitaten gelesen habe, qualifiziert Bahro als richtig heftigen Ökofaschisten.

Ebenfalls bekommt der Dalai Lama & mit ihm der gesamte tibetische Klerus sein Fett weg. Wikipedia schreibt über Tibet:
Das traditionelle Tibet vor der chinesischen Annektion glich in vielen Aspekten dem religiös dominierten Mittelalter in Europa. Die Regierungsform war Feudalismus, in dem eine Oligarchie aus Adel und Klerus (Lamas) über die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung herrschte, die zum Großteil leibeigene Bauern waren. Ebenso war die gesamte Infrastruktur des Landes extrem zurückgeblieben und stark reformbedürftig (so bauten beispielsweise erst die Chinesen das erste wirkliche Krankenhaus in ganz Tibet). Auch wurde Tibet durch den Dalai Lama rigoros gegen Einflüsse von außen abgeschottet. Die Tibeter sollten kein fremdes Gedankengut kennenlernen.
Davon dass es dem tibetischen Volk vor der (Re-)Annektion durch China 1951 gut ging, kann also keine Rede sein. Insofern fragt sich auch, ob es den TibeterInnen in einem "Free Tibet" lamaistischer Prägung besser ginge als heute.
Zum Dalai Lama & dem tibetischen Buddhismus habe ich drei deutschsprachige kritische Seiten gefunden: Ein ungeheures Lächeln, Tantra - Tibetischer Buddhismus sowie Kritische und Kreative Kultur Debatte.

Als letzte umfangreiche Quelle für Kritik an esoterischem Denken nenne ich das Buch Die Götter des New Age - Im Schnittpunkt von "Neuem Denken", Faschismus und Romantik von Peter Kratz.






Nach all der Kritik nun komme ich zu all dem Guten, das eine spirituelle Weltsicht bewirken kann!!! (Ja genau Ihr lieben Linken, das hier geht an Euch ;-)
Dazu empfehle ich zuallererst den Artikel Für eine politisch aktive Spiritualität von Starhawk. Sie wendet sich darin selber gegen Tendenzen, ein spirituelles Weltbild als Rückzug aus der Welt zu nutzen. Ausserdem gehören Konflikte zu ihrem spirituellen Weltbild fest mit dazu. Mich stört auch, dass viele "Friede, Freude, Eierkuchen"-Spiris bei Konflikten lieber nichts hören, nichts sehen & nichts sagen wollen.
Drei Affen

Auch mein alter Text Was ist eigentlich "Politik"? redet eben nicht dem Rückzug ins Private das Wort, sondern politisiert im Gegensatz sogar das vermeintlich Private. "Das Private ist politisch" war ja schon ein Slogan der Frauenbewegung.
Die von linken KritikerInnen viel gescholtene "spirituelle Rückbindung" gibt mir dabei persönlich Kraft für mein politisches Engagement. Ein Beispiel dafür: Wenn ich für meine politische Überzeugung ins Gefängnis gehe, wie das Thoreau tat oder erst recht Nelson Mandela, der 16 Jahre lang inhaftiert war - was nützt mir dann in der Gefängniszelle meine politische Überzeugung & mein rationales Denken? Daraus kann ich nicht die Kraft schöpfen, die ich brauche, um nicht als gebrochener Mensch den Knast wieder zu verlassen. Dafür brauche ich Spiritualität. Oder wenn ich einer bis auf die Zähne bewaffneten Polizeistreitmacht gegenüberstehe & meinem Grundsatz der Gewaltfreiheit treu bleiben will, hilft mir die Verbindung mit dem unverrückbaren Kern der Liebe in mir. Rein verstandesmässiges Denken kommt da nicht hin.
Wenn ich aus dieser spirituellen Gewissheit handle, bewirkt das etwas in der Welt. Durch spirituelle Praktiken & Achtsamkeit im ganzen Leben erfahre ich immer stärker, dass mein menschlicher Geist frei ist. Der menschliche Geist ist frei! Ihr könnt mich mit gesellschaftlichem Druck, körperlicher Gewalt oder Waffen bedrohen, könnt mich einsperren & mit mir tun was ihr wollt - Ich bin ein freier Mensch! Das ist eine unverrückbare Tatsache. Nur durch Denken oder politisch-intellektuelle Debatten hätte ich zu dieser Gewissheit aber nicht kommen können. Denn das Wesensmerkmal der Vernunft ist das Zweifeln.

Ich habe mir über diese Zusammenhänge schon seit langem Gedanken gemacht & im Jahr 2001 zwei Fassungen meines persönlichen Revolutionsmanifests geschrieben: ratio et spiritus (dieser Text war stark an die BüSo gerichtet) sowie ¡Viva la revolución! anderthalb Monate später.

Als persönliches Zeugnis habe ich hier in meinem Blog den Bericht vom Zen-Retreat im Konzentrationslager Auschwitz/Birkenau veröffentlicht. Im Buddhanetz gibt es einen Bericht eines anderen Retreats: Auschwitz in uns. Die Peacemaker Community veranstaltet so etwas jährlich. Engagierte BuddhistInnen tun so etwas, um ihr Mitgefühl zu stärken, sie "trainieren" es regelrecht. Claude AnShin Thomas betont in seinen Vorträgen immer wieder "We are not separate" - "wir sind nicht getrennt", nicht von anderen Menschen & auch nicht vom Rest der Welt. Das heisst aber auch, alles was auf der Welt geschieht, geht uns etwas an. Es sollte uns nicht kalt lassen, wenn irgendwo Lebewesen leiden.
Alles in allem schliessen sich eine spirituelle Weltsicht & emanzipatorische Politik machen in keinster Weise gegenseitig aus, sondern können sich sogar wunderbar ergänzen.
Ich bin also kurz gesagt ein spiritueller Anarchist!

Montag, 17. Oktober 2005

Wer gegen den Krieg ist, braucht deshalb noch lange keine Vision für den Frieden

Dieser Beitrag versteht sich als Diskussionsaufruf speziell an das ZEGG, aber auch an alle anderen Gemeinschaften & alternativen Projekte, die sich als "konkrete Utopie" verstehen. Im ZEGG gibt es dazu den Spruch
Wer gegen den Krieg ist, braucht eine Vision für den Frieden.
Auf den ersten Blick leuchtet das ein, denn Frieden nur als das Gegenteil von Krieg zu definieren, füllt den Begriff nicht mit sonderlich viel Inhalt. Dem ZEGG geht es um eine positive Vision des Friedens.

Für mich definiere ich Frieden so: Wenn Menschen friedlich zusammenleben, dann wenden sie keine Gewalt an. Ihre - immer vorhandenen - Konflikte tragen sie gewaltfrei aus.
Damit sage ich nichts darüber aus, wie dieses gewaltfreie Zusammenleben konkret auszusehen hat, denn das handeln die Menschen permanent untereinander aus. Für mich gibt es da kein Modell, an dem sich irgendjemand zu orientieren hätte.

Utopien bergen immer die Gefahr von Gewaltanwendung. Denn sie sind eine bestimmte Vorstellung, wie das menschliche Zusammenleben organisiert sein soll. Was aber ist mit denjenigen, die diese Vorstellung nicht teilen?
Karl Popper & Hans Albert haben diese Gefahr von Utopien in mehreren Schriften beschrieben. Zu den Möglichkeiten, mit Konflikten umzugehen, füge ich noch das Einfühlsame Zuhören bzw. die Gewaltfreie Kommunikation hinzu. Dabei geht es nicht von vornherein um das rationale Aushandeln von Kompromissen, sondern viel grundlegender darum, der jeweils anderen Partei überhaupt erst einmal zuzuhören. Das ist ein Zeichen von Respekt, dass ich der/dem Anderen Raum gebe, bevor ich mein eigenes Anliegen vorbringe.

Aus diesem Grund ist mir auch die Gewaltfreiheit ein höherer Wert als Gerechtigkeit. Ob ich etwas als gerecht oder ungerecht empfinde, ist immer subjektiv. Gewalt hingegen definiere ich mit dem Wikipedia-Artikel als "Einwirkung auf einen anderen, der dadurch geschädigt wird." Darunter fällt - als Strukturelle Gewalt - auch das System des globalen Kapitalismus. Ob dieser gerecht oder ungerecht ist, darüber lässt sich trefflich streiten - während unterdessen Millionen von Menschen hungern, leiden & sterben. Dass diese Menschen leiden, weil ihnen Gewalt angetan wird, ist für mich eindeutig.

Ich suche nicht nach der "besten aller Welten", ich setze mich dafür ein, dass diese Welt in der wir leben auch lebenswert für alle Menschen wird, wobei die anderen Lebewesen darunter auch nicht unnötig leiden dürfen. Das ist oft ein Stolpern im Glashaus, wie ein schöner Artikel im Neuen Deutschland dazu überschrieben ist.
Konkret heisst das: Bananen & Kaffee kaufe ich, wenn überhaupt, dann fair gehandelt. Elektrizität beziehe ich von den Elektrizitätswerken Schönau oder von Greenpeace energy. Kleidung kaufe ich gebraucht, oder ich informiere mich bei der Kampagne für saubere Kleidung, welche Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Mein Girokonto habe ich bei der GLS Gemeinschaftsbank.
Wenn es in einem Bereich noch keine Möglichkeit gibt, gewaltfrei zu konsumieren, zu produzieren oder generell zu leben, dann tue ich mich mit Gleichgesinnten zusammen & gestalte diese Möglichkeit selbst. Z.B. indem ich eine alte Burg kaufe & dort eine anarchistische Kommune gründe ;-)

& wenn mal wieder ein Krieg ansteht, widerSetze ich mich im Rahmen der resist-Sitzblockaden & weigere mich Steuern für den Krieg zu zahlen (siehe auch DFG-VK). Wenn's nicht anders geht, gehe ich dafür ins Gefängnis wie Henry David Thoreau, der dazu schrieb:
Under a government which imprisons any unjustly, the true place for a just man is also a prison.
(Civil Disobedience)

Zum Abschluss lasse ich die Gegenseite zu Wort kommen: Plädoyer für politische Utopien im Linksnet. Ich bleibe dennoch bei meiner utopiekritischen Position, jedenfalls was die Versuche einer konkreten Utopie angeht. Denn dabei wird versucht, die Utopie tatsächlich zu leben, & sobald das dann zur Norm erhoben wird, kommt Zwang ins Spiel: "Würde man Utopia verwirklichen, so erhielte man in der Tat einen totalitären Staat mit einer auf einen Zweck festgelegten Beglückungsstrategie. Nutzt man Utopia aber als kritische Folie für die eigene Herkunftsgesellschaft und damit vor allem als intellektuelles Gedankenexperiment, dann erkennt man den Wert der politischen Utopie."
In konkreten Utopien liegt damit die von Popper beschriebene Gefahr, während eine als reines Gedankenexperiment verstandene Utopie harmlos ist. Nun verstehen sich aber gerade viele Gemeinschaften als konkrete Utopien. Die Folge ist mehr oder minder starker Gruppenzwang. Deshalb meine Kritik an dieser Stelle.
Es stellt sich heraus, dass der Linksnet-Artikel gar nicht die Gegenposition ist, sondern meinen Standpunkt unterstützt: "Wer Utopien verwirklichen will, der entutopisiert sie."
"Die Utopie darf nicht umgesetzt werden, auf diese Formel lassen sich die Aussagen von Autoren wie Rousseau, Diderot, Voltaire oder d’Alembert zurückführen."

Der im Artikel erwähnte Richard Saage hat bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Reihe von Aufsätzen zu Utopien veröffentlicht, die eventuell meinen Standpunkt modifizieren könnten. Allerdings wird's ne Weile dauern, die zu lesen...

Wo wir grad bei Rosa Luxemburg sind, schliesse ich diesen Beitrag mit ihrem bekannten Zitat
Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

Donnerstag, 13. Oktober 2005

Die Gefahren des Poststrukturalismus in der Linken

Christoph Bördlein hat mich in seinem Buch auf die Sokal-Affäre aufmerksam gemacht. Der (politisch linke) Physiker Alan Sokal hat 1996 einen Nonsens-Artikel in der Zeitschrift Social Text veröffentlicht, ohne dass die Herausgeber dies vorher bemerkt haben. Es genügte also offensichtlich, sich in der Ausdrucksweise an die oftmals völlig sinnentleerten (& dabei höllisch kompliziert zu lesenden!) Texte des PoststrukturalistInnen anzupassen, damit der Artikel als "wissenschaftlich" durchgeht.
Auf seiner Webseite hat Alan Sokal den Originalartikel sowie viele andere Kommentare von verschiedenen Seiten gesammelt. Besonders empfehle ich das Nachwort zu lesen, weil er darin erläutert, warum das poststrukturalistische Denken im Endeffekt systemstützend & damit reaktionär wirkt. Da diese weit verbreitete akademische Richtung einen erkenntnistheoretischen Relativismus vertritt, nimmt sie sich selbst (& ihren Anhängern!) die Möglichkeit kritisch zu hinterfragen. Wo es nur noch subjektive Wahrheiten gibt, kann ich den Wahrheitsgehalt von Aussagen nicht mehr kritisieren. Eine solche Haltung ist natürlich sehr bequem: Ich brauche nicht mehr mit Argumenten begründen was ich denke, sondern das ist halt meine persönliche Meinung & damit basta. Darauf kann ich mich prima ausruhen.
In der Politik heisst das jedoch, dass ich meine Interessen nicht mehr argumentativ durchsetzen kann. Ausserdem kann das Ergebnis jeder politischen Analyse einfach als nicht zutreffend abgelehnt werden. Recht hat letztlich wieder, wer die Macht hat. Aus diesem Grund war & ist das skeptische Denken, das von einer intersubjektiv gültigen Wirklichkeit ausgeht, anhand derer sich Aussagen überprüfen lassen, eine starke & wichtige Waffe jeder emanzipatorischen Bewegung. Von daher halte ich es für einen fatalen Fehler der Linken, dass sie dem poststrukturalistischen Relativismus aufgesessen ist. Das bedeutendste Werk dieser Richtung ist sicherlich Empire von Hardt & Negri.
Übrigens trifft diese Kritik den Radikalen Konstruktivismus, der ebenfalls in akademischen Kreisen & auch ausserhalb davon "in" ist.

Montag, 3. Oktober 2005

Friedensdorf San José de Apartadó revisited

Jetzt verstosse ich gleich mit dem darauffolgenden Beitrag gegen meine Regel, mindestens drei Tage zu warten...
Ich weise nämlich auf einen gerade eben gelesenen Artikel in der jungen Welt von Leila Dregger hin, der die Situation im Friedensdorf San José de Apartadó in Kolumbien schildert:

Die Angst vor den Uniformen

Mich erstaunt dabei vor allem, dass Leila Dreggers Artikel in der linken Zeitung "junge Welt" veröffentlicht werden. Dass die Berührungsängste zu spirituellen Menschen in der Linken abnehmen, freut mich. Es müssen ja nicht gleich alle Linken spirituell werden, genauso wenig wie alle Spirituellen linkspolitisch werden müssen. Miteinander reden wirkt jedenfalls auf beide Seiten befruchtend.

Donnerstag, 22. September 2005

Die Schere im Kopf & im WWW

Durch einen Hinweis auf den GoldSeiten habe ich das Saar-Echo entdeckt, eine aussergewöhnliche Onlinezeitung. Dort finden sich eine Menge Artikel zu Themen, die in anderen Medien nur knapp gestreift oder gänzlich totgeschwiegen werden.
Besonders bedenklich finde ich die Praktiken der grossen Suchmaschinenbetreiber Google & Yahoo, die in einem Artikel beschrieben sind. Um sich davor zu schützen, dass die Suchmaschinenbetreiber ein Nutzerprofil erstellen, gibt es zum einen die Möglichkeit, Scroogle zu nutzen. Das ist ein Anonymisierungs-Proxy für Suchmaschinen, der die Anfragen an Google oder Yahoo weiterleitet, so dass für diese nicht mehr nachvollziehbar ist, wer die Anfrage gestellt hat. Scroogle ist ein Projekt von Google Watch, wo es auch noch mehr Hintergrundinformationen dazu gibt.

Eine andere Möglichkeit ist, die Annahme von Cookies der Suchmaschinen zu verweigern. Im Mozilla Firefox nehmt Ihr diese Einstellung an folgender Stelle vor:
Google-Cookies im Firefox blocken (aufs Bild klicken, um die volle Auflösung zu bekommen)

Technisch besonders interessant sind Peer-to-Peer-Suchmaschinen wie YaCy. Da wird's dann für die Geheimdienste schon schwierig, Anfragen nachzuvollziehen.

Dienstag, 20. September 2005

Rettet das Friedensdorf San José de Apartado in Kolumbien!

Zwar ist mir der Aufruf, das Friedensdorf San José de Apartado in Kolumbien zu unterstützen, schon mehrmals ins Email-Postfach geflattert, aber erst seit Sonntag fühle ich mich mit den Menschen dort verbunden. Uwe Haspel vom LebensGut hat eine Woche lang die Fasten-Mahnwache vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin weitergeführt. Diese Aktion hat Öff!Öff! von den Schenkern initiiert.

Worum es geht?

In San José de Apartado leben ca. 1350 Männer, Frauen & Kinder. Die Friedensgemeinde wurde 1997 mit dem Ziel gegründet, ihr Recht durchzusetzen, nicht in Kolumbiens Bürgerkrieg hineingezogen zu werden. Sie besitzen keine Waffen, übermitteln keine Informationen an Kriegsparteien & weigern sich, in irgendeiner Weise am Bürgerkrieg teilzuhaben. Seitdem hat dies zu Tötungen & "Verschwindenlassen" von bisher 164 Mitgliedern der Gemeinde geführt, verübt von den verschiedenen Seiten der in den Krieg verwickelten Organisationen.
Am 21. Februar diesen Jahres wurden wieder acht Mitglieder der Gemeinde ermordet, darunter ihr Sprecher Luis Eduardo Guerra, dessen erst 17-jährige Frau & sein 11-jähriger Sohn. Auch zwei Kinder im Alter von 2 & 6 Jahren waren unter den Opfern.

Seit Juni 2005 hat das kolumbianische Militär begonnen, eine Nachricht an verschiedene internationale Organisationen und Botschaften zu versenden, in der diesen untersagt wird, die Menschen von San José in irgendeiner Form zu unterstützen. Der fingierte Grund: "Terrorismus"!
Diese Nachricht kommt einem Todesurteil für alle Bewohner der Gemeinde gleich. Denn wer als Terrorist gebrandmarkt ist, ist vogelfrei.

Auch wenn's für viele, die das hier lesen, zu knapp sein wird:
Am morgigen Mittwoch gibt's einen Aktionstag vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin!

Kontakt

Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
ist-einmalig_punkt_de

Intro

Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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Jörg (Gast) - 2009-09-03 14:53

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