Mittwoch, 19. Oktober 2005

Fallstricke der Eso-Szene & warum spirituelle Menschen dennoch politisch sein können & sollen

Das ist vermutlich bis auf Weiteres der letzte Beitrag, der sich kritisch & skeptisch mit New Age/Esoterik/Spiritualität befasst. Unter dem Strich lobe ich die Spiritualität! :-D
Quelle ist in erster Linie das Buch Über alles in der Welt. Esoterik und Leitkultur von Claudia Barth, erschienen im Alibri Verlag (wie auch das Sockenfressende Monster in der Waschmaschine).

Ihre Haupt-Kritik fasst sie besonders kompakt zusammen in folgendem Kommentar zu Clarissa Pinkola Estés, der Autorin des Bestsellers Die Wolfsfrau:
In hegemonialem Wohlstandsdenken verfangen, ignoriert sie die Nöte von Millionen Frauen der Welt, deren Alltag aus Armut, Hunger und Krieg besteht, und die dringend auf eine Änderung der materiellen Verhältnisse angewiesen sind. Mit sattem Bauch lässt es sich einfach auf die Suche nach dem inneren "Heil-Sein" gehen, doch für den Grossteil der Menschheit gilt noch immer das Dilemma: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
(Zur Kritik an der "esoterischen Wende der Frauenbewegung" siehe auch Die mit der Wolfsfrau tanzen.)

Diese Kritik sitzt. Ich habe mir zum Kriterium für Weltanschauungen gemacht: Kann diese Weltanschauung als Herrschaftsideologie benutzt werden? & konkreter: Zu welchem Handeln bringt mich diese Weltanschauung angesichts von Leid?
Nur was sich nicht als Herrschaftsideologie benutzen lässt & was nicht dazu führt, dass ich leidende Wesen ihrem Schicksal überlasse, geht als emanzipatorische Weltanschauung durch. Ich benutze dieses Kriterium praktisch als "ethisches Ockhams Rasiermesser".
Der Glaube an Karma ist dabei schon durchgefallen. Besonders krass finde ich dazu die Äusserungen von Thorwald Dethlefsen. Ich zitiere aus dem Buch von Colin Goldner:
Selbst ein Mörder könne seine Tat "ausschliesslich nur an einem Menschen begehen, der inhaltlich für ein solches Ereignis die Bereitschaft mitbringt. (...) Was das Opfer betrifft, so ist sub specie aeternitatis [unter dem Blickwinkel der Ewigkeit, C.G.] betrachtet, 'alles in Ordnung'; es suchte eine Todessituation und fand sie, indem es einen anderen Menschen zur Schicksalsverwirklichung benützte. Dieser andere mensch, der Mörder, hat mit der Tat seinem Opfer 'einen Gefallen erwiesen'. (...) Jeder gebraucht zur Verwirklichung seines eigenen Schicksals fast immer andere Menschen, denen er meist, statt dankbar zu sein, Schuld zuschiebt." (Dethlefsen, Thorwald: Das Leben nach dem Leben: Gespräche mit Wiedergeborenen. München, 1974)
Herrschaftsideologie? Herrschaftsideologie! & bekanntlich hat die Vorstellung des "karmischen Kontos" jahrtausendelang das indische Kastensystem ideologisch gestützt.

Dass die Kontinuität der Verbindung von esoterischem mit rechtem Gedankengut ungebrochen ist, zeigt exemplarisch das Thule-Seminar. Mit dieser Thematik beschäftigt sich - aus der Perspektive der Neuheiden - der Rabenclan e.V., es lohnt sich in deren Webseiten zu stöbern.

Übrigens werde ich bei Gelegenheit mal genauer in das Buch "Logik der Rettung" von Rudolf Bahro reinschauen. Was ich da an Zitaten gelesen habe, qualifiziert Bahro als richtig heftigen Ökofaschisten.

Ebenfalls bekommt der Dalai Lama & mit ihm der gesamte tibetische Klerus sein Fett weg. Wikipedia schreibt über Tibet:
Das traditionelle Tibet vor der chinesischen Annektion glich in vielen Aspekten dem religiös dominierten Mittelalter in Europa. Die Regierungsform war Feudalismus, in dem eine Oligarchie aus Adel und Klerus (Lamas) über die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung herrschte, die zum Großteil leibeigene Bauern waren. Ebenso war die gesamte Infrastruktur des Landes extrem zurückgeblieben und stark reformbedürftig (so bauten beispielsweise erst die Chinesen das erste wirkliche Krankenhaus in ganz Tibet). Auch wurde Tibet durch den Dalai Lama rigoros gegen Einflüsse von außen abgeschottet. Die Tibeter sollten kein fremdes Gedankengut kennenlernen.
Davon dass es dem tibetischen Volk vor der (Re-)Annektion durch China 1951 gut ging, kann also keine Rede sein. Insofern fragt sich auch, ob es den TibeterInnen in einem "Free Tibet" lamaistischer Prägung besser ginge als heute.
Zum Dalai Lama & dem tibetischen Buddhismus habe ich drei deutschsprachige kritische Seiten gefunden: Ein ungeheures Lächeln, Tantra - Tibetischer Buddhismus sowie Kritische und Kreative Kultur Debatte.

Als letzte umfangreiche Quelle für Kritik an esoterischem Denken nenne ich das Buch Die Götter des New Age - Im Schnittpunkt von "Neuem Denken", Faschismus und Romantik von Peter Kratz.






Nach all der Kritik nun komme ich zu all dem Guten, das eine spirituelle Weltsicht bewirken kann!!! (Ja genau Ihr lieben Linken, das hier geht an Euch ;-)
Dazu empfehle ich zuallererst den Artikel Für eine politisch aktive Spiritualität von Starhawk. Sie wendet sich darin selber gegen Tendenzen, ein spirituelles Weltbild als Rückzug aus der Welt zu nutzen. Ausserdem gehören Konflikte zu ihrem spirituellen Weltbild fest mit dazu. Mich stört auch, dass viele "Friede, Freude, Eierkuchen"-Spiris bei Konflikten lieber nichts hören, nichts sehen & nichts sagen wollen.
Drei Affen

Auch mein alter Text Was ist eigentlich "Politik"? redet eben nicht dem Rückzug ins Private das Wort, sondern politisiert im Gegensatz sogar das vermeintlich Private. "Das Private ist politisch" war ja schon ein Slogan der Frauenbewegung.
Die von linken KritikerInnen viel gescholtene "spirituelle Rückbindung" gibt mir dabei persönlich Kraft für mein politisches Engagement. Ein Beispiel dafür: Wenn ich für meine politische Überzeugung ins Gefängnis gehe, wie das Thoreau tat oder erst recht Nelson Mandela, der 16 Jahre lang inhaftiert war - was nützt mir dann in der Gefängniszelle meine politische Überzeugung & mein rationales Denken? Daraus kann ich nicht die Kraft schöpfen, die ich brauche, um nicht als gebrochener Mensch den Knast wieder zu verlassen. Dafür brauche ich Spiritualität. Oder wenn ich einer bis auf die Zähne bewaffneten Polizeistreitmacht gegenüberstehe & meinem Grundsatz der Gewaltfreiheit treu bleiben will, hilft mir die Verbindung mit dem unverrückbaren Kern der Liebe in mir. Rein verstandesmässiges Denken kommt da nicht hin.
Wenn ich aus dieser spirituellen Gewissheit handle, bewirkt das etwas in der Welt. Durch spirituelle Praktiken & Achtsamkeit im ganzen Leben erfahre ich immer stärker, dass mein menschlicher Geist frei ist. Der menschliche Geist ist frei! Ihr könnt mich mit gesellschaftlichem Druck, körperlicher Gewalt oder Waffen bedrohen, könnt mich einsperren & mit mir tun was ihr wollt - Ich bin ein freier Mensch! Das ist eine unverrückbare Tatsache. Nur durch Denken oder politisch-intellektuelle Debatten hätte ich zu dieser Gewissheit aber nicht kommen können. Denn das Wesensmerkmal der Vernunft ist das Zweifeln.

Ich habe mir über diese Zusammenhänge schon seit langem Gedanken gemacht & im Jahr 2001 zwei Fassungen meines persönlichen Revolutionsmanifests geschrieben: ratio et spiritus (dieser Text war stark an die BüSo gerichtet) sowie ¡Viva la revolución! anderthalb Monate später.

Als persönliches Zeugnis habe ich hier in meinem Blog den Bericht vom Zen-Retreat im Konzentrationslager Auschwitz/Birkenau veröffentlicht. Im Buddhanetz gibt es einen Bericht eines anderen Retreats: Auschwitz in uns. Die Peacemaker Community veranstaltet so etwas jährlich. Engagierte BuddhistInnen tun so etwas, um ihr Mitgefühl zu stärken, sie "trainieren" es regelrecht. Claude AnShin Thomas betont in seinen Vorträgen immer wieder "We are not separate" - "wir sind nicht getrennt", nicht von anderen Menschen & auch nicht vom Rest der Welt. Das heisst aber auch, alles was auf der Welt geschieht, geht uns etwas an. Es sollte uns nicht kalt lassen, wenn irgendwo Lebewesen leiden.
Alles in allem schliessen sich eine spirituelle Weltsicht & emanzipatorische Politik machen in keinster Weise gegenseitig aus, sondern können sich sogar wunderbar ergänzen.
Ich bin also kurz gesagt ein spiritueller Anarchist!

Dienstag, 18. Oktober 2005

Plastic medicine men / Plastikschamanen

I write this entry in English so that the people of the First Nations to whom it is addressed can understand it. Eine kurze deutsche Erklärung siehe unten.

When I read the Declaration of War Against Exploiters of Lakota Spirituality for the first time I felt deeply embarrassed and guilty. This was the first time I realised that so-called plastic medicine men (and women) or shame-ons exploit Native American culture and rituals. Nobody declares war just for fun. This shows how debased the Lakota must feel by the practices of plastic medicine people.
NAFPS - new-age frauds & plastic shamans is a good place to start when you want to learn more about this cultural sellout. If you are interested in the real spirituality of the First Nations, then have a look here.
In the list of frauds at the "Respect = go-hi-yu-hi" site I found several plastic medicine people whom I had believed to be honest Native American spiritual teachers: My message to all American Native People:

I confess having sympathised with some plastic medicine men. Because I honour the culture and spirituality of the First Nations, I will never again trust someone to be a "true Native American medicine person" without examining that person's background. Furthermore, I will not take isolated parts of Native American spirituality to build my own spiritual world view, nor will I take part in rituals for cash.
To repeat: I respect the spirituality of the First Nations and will not use a single bit of it without explicit permission by First Nations people.


For those interested, there's an extensive article on the subject published in The American Indian Quarterly.
Some more links:
Hier nun also die Erläuterung auf Deutsch: Es geht um so genannte "Plastikschamanen", also Menschen die sich als nordamerikanische IndianerInnen (oder auch australische Aborigines u.a., siehe z.B. Marlo Morgan) ausgeben & für Geld deren Rituale anbieten sowie in Büchern ihre Version von "indianischer Spiritualität" verkaufen. Die Lakota haben 1993 eine Kriegserklärung gegen die Ausbeutung der Spiritualität der Lakota abgegeben. Die hat mich sehr getroffen. Wie sehr müssen diese Menschen sich entwürdigt fühlen, dass sie Krieg erklären!!

Oben liste ich etliche Platikschamanen auf, mit denen ich schon in der ein oder anderen Form zu tun hatte, darunter Michael Harner, der Gründer der Foundation for Shamanic Studies. Bei der Foundation habe ich schon einmal eines der "Basisseminare" mitgemacht, nachdem ich eine ganze Weile davor bereits Harners Buch gelesen hatte. Carlos Castaneda dürfte durch seine Bücher weithin bekannt sein.
Im ZEGG leben ebenfalls einige Anhänger von Plastikschamanen, siehe Beitrag aus dem ZEGG-Reader 2004 sowie Lust und Wissen. Das tut mir besonders weh, weil mir das was das ZEGG macht sehr am Herzen liegt. Ich werde die Betreffenden darauf ansprechen, weil ich das nicht auf mir sitzen lassen kann.

Montag, 17. Oktober 2005

Wer gegen den Krieg ist, braucht deshalb noch lange keine Vision für den Frieden

Dieser Beitrag versteht sich als Diskussionsaufruf speziell an das ZEGG, aber auch an alle anderen Gemeinschaften & alternativen Projekte, die sich als "konkrete Utopie" verstehen. Im ZEGG gibt es dazu den Spruch
Wer gegen den Krieg ist, braucht eine Vision für den Frieden.
Auf den ersten Blick leuchtet das ein, denn Frieden nur als das Gegenteil von Krieg zu definieren, füllt den Begriff nicht mit sonderlich viel Inhalt. Dem ZEGG geht es um eine positive Vision des Friedens.

Für mich definiere ich Frieden so: Wenn Menschen friedlich zusammenleben, dann wenden sie keine Gewalt an. Ihre - immer vorhandenen - Konflikte tragen sie gewaltfrei aus.
Damit sage ich nichts darüber aus, wie dieses gewaltfreie Zusammenleben konkret auszusehen hat, denn das handeln die Menschen permanent untereinander aus. Für mich gibt es da kein Modell, an dem sich irgendjemand zu orientieren hätte.

Utopien bergen immer die Gefahr von Gewaltanwendung. Denn sie sind eine bestimmte Vorstellung, wie das menschliche Zusammenleben organisiert sein soll. Was aber ist mit denjenigen, die diese Vorstellung nicht teilen?
Karl Popper & Hans Albert haben diese Gefahr von Utopien in mehreren Schriften beschrieben. Zu den Möglichkeiten, mit Konflikten umzugehen, füge ich noch das Einfühlsame Zuhören bzw. die Gewaltfreie Kommunikation hinzu. Dabei geht es nicht von vornherein um das rationale Aushandeln von Kompromissen, sondern viel grundlegender darum, der jeweils anderen Partei überhaupt erst einmal zuzuhören. Das ist ein Zeichen von Respekt, dass ich der/dem Anderen Raum gebe, bevor ich mein eigenes Anliegen vorbringe.

Aus diesem Grund ist mir auch die Gewaltfreiheit ein höherer Wert als Gerechtigkeit. Ob ich etwas als gerecht oder ungerecht empfinde, ist immer subjektiv. Gewalt hingegen definiere ich mit dem Wikipedia-Artikel als "Einwirkung auf einen anderen, der dadurch geschädigt wird." Darunter fällt - als Strukturelle Gewalt - auch das System des globalen Kapitalismus. Ob dieser gerecht oder ungerecht ist, darüber lässt sich trefflich streiten - während unterdessen Millionen von Menschen hungern, leiden & sterben. Dass diese Menschen leiden, weil ihnen Gewalt angetan wird, ist für mich eindeutig.

Ich suche nicht nach der "besten aller Welten", ich setze mich dafür ein, dass diese Welt in der wir leben auch lebenswert für alle Menschen wird, wobei die anderen Lebewesen darunter auch nicht unnötig leiden dürfen. Das ist oft ein Stolpern im Glashaus, wie ein schöner Artikel im Neuen Deutschland dazu überschrieben ist.
Konkret heisst das: Bananen & Kaffee kaufe ich, wenn überhaupt, dann fair gehandelt. Elektrizität beziehe ich von den Elektrizitätswerken Schönau oder von Greenpeace energy. Kleidung kaufe ich gebraucht, oder ich informiere mich bei der Kampagne für saubere Kleidung, welche Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Mein Girokonto habe ich bei der GLS Gemeinschaftsbank.
Wenn es in einem Bereich noch keine Möglichkeit gibt, gewaltfrei zu konsumieren, zu produzieren oder generell zu leben, dann tue ich mich mit Gleichgesinnten zusammen & gestalte diese Möglichkeit selbst. Z.B. indem ich eine alte Burg kaufe & dort eine anarchistische Kommune gründe ;-)

& wenn mal wieder ein Krieg ansteht, widerSetze ich mich im Rahmen der resist-Sitzblockaden & weigere mich Steuern für den Krieg zu zahlen (siehe auch DFG-VK). Wenn's nicht anders geht, gehe ich dafür ins Gefängnis wie Henry David Thoreau, der dazu schrieb:
Under a government which imprisons any unjustly, the true place for a just man is also a prison.
(Civil Disobedience)

Zum Abschluss lasse ich die Gegenseite zu Wort kommen: Plädoyer für politische Utopien im Linksnet. Ich bleibe dennoch bei meiner utopiekritischen Position, jedenfalls was die Versuche einer konkreten Utopie angeht. Denn dabei wird versucht, die Utopie tatsächlich zu leben, & sobald das dann zur Norm erhoben wird, kommt Zwang ins Spiel: "Würde man Utopia verwirklichen, so erhielte man in der Tat einen totalitären Staat mit einer auf einen Zweck festgelegten Beglückungsstrategie. Nutzt man Utopia aber als kritische Folie für die eigene Herkunftsgesellschaft und damit vor allem als intellektuelles Gedankenexperiment, dann erkennt man den Wert der politischen Utopie."
In konkreten Utopien liegt damit die von Popper beschriebene Gefahr, während eine als reines Gedankenexperiment verstandene Utopie harmlos ist. Nun verstehen sich aber gerade viele Gemeinschaften als konkrete Utopien. Die Folge ist mehr oder minder starker Gruppenzwang. Deshalb meine Kritik an dieser Stelle.
Es stellt sich heraus, dass der Linksnet-Artikel gar nicht die Gegenposition ist, sondern meinen Standpunkt unterstützt: "Wer Utopien verwirklichen will, der entutopisiert sie."
"Die Utopie darf nicht umgesetzt werden, auf diese Formel lassen sich die Aussagen von Autoren wie Rousseau, Diderot, Voltaire oder d’Alembert zurückführen."

Der im Artikel erwähnte Richard Saage hat bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Reihe von Aufsätzen zu Utopien veröffentlicht, die eventuell meinen Standpunkt modifizieren könnten. Allerdings wird's ne Weile dauern, die zu lesen...

Wo wir grad bei Rosa Luxemburg sind, schliesse ich diesen Beitrag mit ihrem bekannten Zitat
Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

Sonntag, 16. Oktober 2005

Eine Woche auf Burg Lutter

Nachdem ich nun seit einer Woche auf Burg Lutter bin (es gab hier übrigens eine historische Schlacht im Dreissigjährigen Krieg), zeige ich nun endlich auch mal ein paar Fotos.
Übrigens ist Burg Lutter die erste Gemeinschaft, die nicht im eurotopia steht, dafür aber in den Bunten Seiten.

Einer der ersten Anblicke, wenn mensch auf die Burg kommt, ist dieses Viech:
Schrott-Dino

Hier ein Blick von Süden auf den Turm:
Turmhaus

So sieht's im Hof aus:
25 Jahre Lutter-Gruppe

& damit niemand übersieht, dass das hier eine anarchistische Kommune ist:
A

Einer der tierischen Bewohner ist Wanda das Hängebauchschwein:
Wanda im Misthaufen

Doch es gibt nicht nur lebende Tiere hier:
Rattenmumie

Zum Schluss noch ein Blick auf Dorf & Burg von der nächsten Anhöhe aus:
Burg Lutter von Ostlutter aus gesehen

Was habe ich in der Zwischenzeit hier gemacht? Ne ganze Menge: Holz im Wald aufgeladen, Rüben geerntet, den Hühnerstall ausgemistet, beim Brot backen & in der Mosterei geholfen. & so viel gelesen & nachgedacht wie schon lange nicht mehr. Die bisherigen Ergebnisse könnt Ihr in den letzten Beiträgen nachlesen, & es kommen bestimmt noch mehr.

Das Leben als Gast in einer anarchistischen Gemeinschaft fand ich bisher ziemlich unspektakulär. Selbstbestimmt leben scheint mir echt zu liegen. ^^

Zur Illustration was hier vor allem im Sommer so alles abgehen kann: Das Anarchistische Sommercamp fand hier statt, die Tour von Revolte Springen ist auf der Burg gestartet, & das Rougue Steady Orchestra hat hier angefangen & ein Album aufgenommen.

Übrigens waren 2001 die EcoNomads auch hier.

Freitag, 14. Oktober 2005

Die Geschichte des Staates als Herrschaftsgeschichte

Schon wieder ein Verstoss gegen meine selbst auferlegten drei Tage Wartezeit:
Durch Zufall stiess ich bei meinen Streifzügen durch die Weiten des Web auf Franz Oppenheimer. Der hat hammermässig plausibel & detailliert beschrieben, wie der Staat entstanden ist: indem nomadisierende Hirtenvölker sesshafte Ackerbauern unterwarfen. Das geschah an vielen Stellen dieses Planeten & zu vielen verschiedenen Zeiten, jedoch ist der Staat "seiner Entstehung nach ganz und seinem Wesen nach auf seinen ersten Daseinsstufen fast ganz eine gesellschaftliche Einrichtung, die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern. Und die Herrschaft hatte keinerlei andere Endabsicht als die ökonomische Ausbeutung der Besiegten durch die Sieger. Kein primitiver »Staat« der Weltgeschichte ist anders entstanden."
Seine Schrift Der Staat ist zwar im Jahre 1909 entstanden aber dennoch von erstaunlicher Aktualität. Dass darin die Rede von "Negern" & "Primitiven" ist, erklärt sich aus der Entstehungszeit des Textes, womit ich diese Formulierungen nicht gutheissen will.

In genau die gleiche Kerbe haut Paul C. Martin (kurz PCM), mein Lieblings-Ökonom, der sich in mehreren Aufsätzen mit der Frage, wie das Geld & der Zins ursprünglich entstanden sind, beschäftigt: & seine Machttheorie des Geldes in einer Reihe von Diskussionsbeiträgen im Elliott-Wellen-Forum weiter ausarbeitet.

Oppenheimer beschreibt dabei zusätzlich - wenn auch manchmal idealisierend - den Vorgang des "nation building" vom allerersten Anfang an sehr zutreffend. Die grosse Herausforderung besteht dabei ja darin, dass die Beherrschten sich in ihrer Rolle einrichten & dem eigenen Staat loyal werden, obwohl dieser sie doch ökonomisch ausbeutet (durch Steuern). Um dieses Resultat zu erreichen, muss die herrschende Klasse sich für ihre Untertanen "nützlich machen". Das tut sie, indem sie Schutz vor äusseren Feinden bietet.
Bekannt dürfte dieses Modell vor allem aus dem mittelalterlichen Feudalismus sein. Dieser ist aber nur ein Beispiel von vielen.

Mein hauptsächlicher Kritikpunkt ist, dass Oppenheimer Reichtum & Herrschaft nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern als Mittel um soziales Prestige zu erlangen. Darin ist er wohl zu sehr Soziologe. Warum sollte Herrschaft über andere kein hinreichendes Ziel für einen Menschen sein?

Das letzte, spekulative Kapitel "Die Tendenz der staatlichen Entwicklung" ist hochgradig naiv & erweist sich im Nachhinein als Griff ins Klo: Oppenheimers Behauptung, die Entwicklung der Staaten gehe hin zu einer klassenlosen & friedlichen Gesellschaft, in der die "reine Wirtschaft" (worunter er nur äquivalenten Tausch versteht), wird durch den Ersten Weltkrieg nur wenige Jahre nach Erscheinen seines Aufsatzes gründlich widerlegt. Seine Theorie, die Ausbeutung im Kapitalismus sei ausschliesslich durch das Grossgrundeigentum bedingt, hat sich klar als falsch erwiesen. Übrigens auch die Behauptung, das Grossgrundeigentum würde sich auflösen. Land ist heute als landwirtschaftliche Nutzfläche nicht mehr sonderlich rentabel, als Standort für Industrie & Handel dafür um so mehr. Jeder grosse Konzern hat heute, neben der Hausbank, eine Immobilienabteilung.
Zwar bestimmt "die Wirtschaft" heute immer stärker über unser Leben, während die staatliche Herrschaft zurückgeht, das bedeutet aber noch lange nicht das Verschwinden des "politischen Mittels", wie Oppenheimer es nennt. Wirtschaftsunternehmen beherrschen uns - zwar auf andere Weise als Staaten, doch sie tun es ebenfalls. Umberto Eco sieht im Zusammenhang mit der konzerngesteuerten Globalisierung einen neuen Feudalismus heraufdämmern. Ich muss dabei auch immer an die Zukunftsvision des Cyberpunk-Rollenspiels Shadowrun denken.
Für die Kritik an der Vorstellung einer "reinen Wirtschaft", eines "freien Marktes", in dem Macht & Herrschaft keine Rolle spielen, empfehle ich die Analysen von PCM. Um die Einhaltung von Verträgen wirkungsvoll durchsetzen zu können, braucht's eine Herrschaftsstruktur die mit Gewalt droht & diese im Ernstfall auch einsetzt - kurz, einen Staat.

Wer da was gegen hat, muss konsequenterweise so leben wie die Schenker.

Kontakt

Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
ist-einmalig_punkt_de

Intro

Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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