Donnerstag, 7. Februar 2008

Schlaraffenland revisited

Gestern Abend im Gespräch mit Sabine ist mir klar geworden, dass ich im Grunde genommen gar nicht für mich zu sorgen brauche. Solange ich das tue, bleibe ich in der Selbstversorgermentalität von der Götz Werner spricht. & solange ich das tue, vertraue ich noch nicht vollständig darauf, dass mir das Leben jederzeit genau das Richtige beschert.

Im Grunde ist so ein Schlaraffenland doch eine wunderbare Sache: Im Schlaraffenland gibt es keinen Zwang, ich muss dort nichts tun.
Das ist auch die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens: Alle bekommen was sie brauchen (jedenfalls zur Existenzsicherung), niemand stellt irgendwelche Bedingungen. Es ist tatsächlich ein Geschenk - so wie wir als Neugeborene alles geschenkt bekommen, Geborgenheit, Muttermilch, Schutz usw.
Auf dem Boden dieser Freiheit entsteht ganz von selbst Initiative, wenn die Menschen darauf vertrauen, dass ihnen kein Mangel droht egal was sie tun oder nicht tun. Das ist allerdings der Knackpunkt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen funktioniert nur dann, wenn die große Mehrzahl der Menschen daran glaubt, dass es tatsächlich an keine Bedingung geknüpft ist.

Für mich gab es zwar bis zum Studium ebenfalls keinen Zwang, mich um meinen Lebensunterhalt zu kümmern. Ob jedoch das Geschenk meiner Eltern, mich finanziell zu versorgen, so bedingungslos wie das Grundeinkommen war, ist mir nicht klar. Vermutlich hingen daran unbewusste oder zumindest unausgedrückte Erwartungen meiner Eltern.

Zwischenzeitlich glaubte ich, dass aktiv "für mich selber sorgen" ein Fortschritt gegenüber dem In-den-Tag-hinein-Leben sei. Seit gestern ist mir klar, dass dahinter immer noch meine Existenzangst steckte - das Gefühl für diesen Flecken Erde Miete zahlen zu müssen. Vorher habe ich lediglich kaum Energie dafür aufgewendet, weil ich dadurch meiner Angst begegnet wäre.
Meine neue Sichtweise ab heute ist, dass unsere Gesellschaft zur Zeit so organisiert ist, dass ich dafür bezahlen muss wenn ich etwas Bestimmtes will. Im Gegenzug kann ich aber auch etwas tun das anderen nützt. & weil unsere Gesellschaft eben so organisiert ist, nehme ich bis auf Weiteres Geld dafür, dass ich etwas beitrage. Ausnahmen sind die Familie, Freunde & Projekte die mir am Herzen liegen wie die Freie Schule.

Jetzt wieder Grundsätzliches:
Wenn ich davon ausgehe, dass ein Kind in einer Umgebung aufwächst, in der die anderen Menschen ihm vertrauen, ihm etwas zutrauen & sein Angebot etwas zur Gemeinschaft beizutragen dankend annehmen, dann wird dieses Kind nicht träge werden, weil es ein Grundeinkommen erhält.
Es ist vielmehr die konsequente Weiterführung dessen was das Kind erlebt, während es aufwächst: Vertrauen ins Leben ist das Grundgefühl, nichts muss, alles kann. Die anderen Menschen freuen sich über das, was ich beitrage, & mir selbst bereitet es Freude, mich zu entfalten. Ich muss nicht alles selber machen. Um meine Bedürfnisse zu befriedigen kann ich jederzeit andere bitten. Die sind wiederum frei Ja oder Nein zu sagen, irgendwer wird schon Ja sagen. & wenn nicht dann bricht für mich deshalb nicht gleich die Welt zusammen, denn was mir wirklich am Herzen liegt, darin unterstützen mich die anderen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen (oder besser weil umfassender & nicht ausschliesslich an Geld geknüpft: grundsätzliches Auskommen für alle) ist Teil der neuen Kultur & gedeiht auf dem Boden absoluter Freiwilligkeit. Solange in anderen Bereichen der Gesellschaft noch Zwang ausgeübt wird (z.B. Militär, Strafvollzug), wird es den Menschen schwer fallen zu glauben, dass sie das Grundeinkommen erhalten, um damit zu tun & zu lassen was sie wollen.

Der einleitende Text im Unverdient-Wiki bringt das Ziel auf den Punkt:
Unverdient dazu gehören...

...ist vielleicht der älteste Traum der Menschen:

einfach dabei sein dürfen, selbstverständlich teil haben. Um sein gutes Leben, seine Anerkennung nicht kämpfen müssen. Mitmachen dürfen ohne Zwang. Sich seine gesellschaftliche Aufgabe selbstverantwortlich aussuchen können.

Es geht bei diesem Traum nicht nur um die ausreichende Versorgung mit guten Lebensmitteln, und auch nicht nur um eine vernünftige Verteilung. Es geht um die Würde jedes einzelnen Menschen, nicht nach seiner Leistung, seiner Funktion entlohnt und beurteilt zu werden, sondern willkommen zu sein, genau so, wie er ist.

Dienstag, 29. Januar 2008

Neuer Internetauftritt der Freien Schule Leipzig

Unter der gewohnten Adresse www.freie-schule-leipzig.de präsentiert sich die Freie Schule Leipzig in neuem Gewand. Die Firma Tautologix hat das Content Management System entwickelt.
Mit dem Umbau der Website ist jetzt auch das aktuelle Konzept online - Prädikat lesenswert!

Montag, 28. Januar 2008

Die Stadt sind wir - Leipzig hat entschieden

Mit überwältigender Mehrheit haben sich die Leipziger gestern für den Erhalt der Stadtwerke im öffentlichen Eigentum ausgesprochen (siehe Artikel in der Leipziger Internet Zeitung).
Wenn ihr mich fragt: inmitten der aktuellen Finanzkrise die einzig richtige Entscheidung!

Da weiss ich doch warum ich in Leipzig gelandet bin, diese Stadt gefällt mir immer besser.

Dienstag, 22. Januar 2008

Leistung: Woran ich mich selber messe

Mitten in der Nacht (siehe Uhrzeit dieses Beitrags) liege ich wach & mein Kopf brummt vor lauter Dingen, die ich in der nahen Zukunft zu tun habe.
Dann erkenne ich etwas, das mich entspannt: Auch wenn ich tot bin, wird es noch gaaanz ganz viel zu tun geben. Ich muss das also nicht alles alleine bewältigen ;-)
Im nächsten Schritt wird mir klar, dass ich mich bisher danach bewertet habe, wie viel ich tue. Damit bin ich natürlich nie vollkommen zufrieden, denn ich könnte immer noch mehr tun.

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Ich muss nicht komplett aufhören, mich an etwas zu messen - mein neues Kriterium ist, was ich tue (die Qualität dessen was ich tue).
Damit habe ich für mich den Begriff Leistung so umdefiniert, dass ich auch hierbei vom Denken in Mengen zum Denken in Wirkungen umgeschaltet habe.

Auf die Art kann ich in jedem Moment mein Bestes geben, es gibt nicht automatisch ein "noch besser", so wie es automatisch ein "noch mehr" gibt. Natürlich kann ich manchmal unter meiner Höchstleistung bleiben. Das ist dann ein Anlass mich zu fragen wie ich noch besser werden kann.
Anders als beim "noch mehr" ist der Fokus auf Qualität jeweils auf das Hier & Jetzt bezogen. Wenn ich darauf schaue wie viel noch zu tun ist, verliere ich mich mit meinen Gedanken schnell in der Zukunft.

Früher in der Schule habe ich das Wort "Leistung" verabscheut, die Leistungsgesellschaft war mir zutiefst zuwider.
Ich habe mich damals erfolgreich gegen den Maßstab von Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit (wie es auch in der Physik definiert ist) gewehrt, denn dieser Maßstab führt unweigerlich dazu, dass mensch sich selbst verurteilt.
Sich selbst verurteilen schränkt das eigene Potential ein. Das geschieht jedoch ebenso, wenn mensch sich überhaupt nicht selber beurteilt, d.h. an etwas misst. Es wäre also ein Fehler, ganz damit aufzuhören.

Wenn ich mich an der Qualität dessen beurteile, was ich tue, dann messe ich mich letzten Endes an meinem eigenen, inneren Maßstab. Andere können mir zwar Rückmeldungen geben, wie gut ihnen meine Leistung gefällt; sie können jedoch nicht beurteilen, zu welcher Höchstleistung ich in der Lage bin.
Wissen kann ich das auch nicht - ich muss es immer wieder ausprobieren, mich an meine Leistungsgrenzen herantasten. Andere Menschen können mich dazu ermutigen.

Übrigens führt das Verständnis von Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit dazu, dass unsere Kultur ganz viel Unsinniges produziert. Denn Sinn lässt sich nicht in einen Maßstab von mehr oder weniger pressen - entweder etwas ist sinnvoll oder eben nicht. & wenn es sinnvoll ist, dann reicht das vollkommen aus, es gibt dann nichts mehr zu verbessern.

Ich lande hier wieder bei den Bedürfnissen: Eine Leistung ist dann sinnvoll, wenn sie ein Bedürfnis erfüllt (von wem auch immer).

Eine weitere Wirkung dieser alten Definition von Leistung ist der Widersinn unseres Lohnarbeitssystems. Einerseits sind die Unternehmer bestrebt, die Produktivität zu erhöhen, d.h. den Aufwand (das wie viel) für ein gewünschtes Ergebnis zu senken. Üblicherweise wird dabei der Arbeitsaufwand gesenkt, weil sich am Produktionsfaktor Arbeit am meisten einsparen lässt. Das führt logischerweise dazu, dass Arbeitskräfte überflüssig werden & die Arbeitslosigkeit steigt.
Andererseits messen sich die Arbeitenden daran, wie viel sie arbeiten - also genau an dem Faktor, den ihre Arbeitgeber minimieren wollen.
Eine (an sich zu begrüssende) Leistungssteigerung hat also den unerwünschten Effekt, dass Menschen arbeitslos werden & sich dabei auch noch minderwertig und/oder schuldig fühlen.

Mit Frithjof Bergmann stelle ich daher fest, dass das Lohnarbeitssystem gar keine Leistungsgesellschaft ist, weil es zwar diejenigen belohnt, deren Leistung die Produktivität erhöht, andere aber (für die Leistung der Ersteren!) bestraft, weil sie durch die Produktivitätssteigerung "überflüssig" geworden sind. Sie sind nämlich nur an ihrer bisherigen Stelle überflüssig geworden, nicht jedoch für die Gesellschaft als Ganzes. Übrigens meistens auch nicht für ihr Unternehmen, was die Unternehmen jedoch nur selten erkennen.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur neuen Kultur lautet demnach:

Umdenken beim Bewerten von Leistung!

Montag, 21. Januar 2008

Marketing = ein Feld erschaffen oder verstärken

Heute hat sich meine Sichtweise auf das Marketing sehr deutlich geschärft. Ich benutze einen zentralen Begriff von Arnold Mindell, der mich in Form seiner Bücher schon lange begleitet.

Marketing bedeutet, ein Feld zu erschaffen oder zu verstärken.

Um sich ein solches Feld vorzustellen, kann der Begriff des Magnetfeldes hilfreich sein. Solche Felder werden bildlich mittels ihrer Feldlinien dargestellt, die die meisten von Euch bestimmt früher in der Schule im Physikunterricht gesehen haben.
Ein Feld ist nicht greifbar, dennoch wirkt es auf alles in seinem Einflussbereich. Dieser wiederum nimmt ab, je weiter mensch sich von seinem Ursprung entfernt.

Das Feld, um das es beim Marketing geht, ist ein geistiges Feld bzw. ein Informationsfeld. Das Marketing-Feld sendet die Information aus: "Hier ist ein Mensch bzw. ein Unternehmen, das dieses & jenes anbietet".
Nun kommt es kaum darauf an, wie stark das Feld ist (platt gesagt wie laut ich schreie) sondern in erster Linie darauf, wie genau das Feld definiert ist. Also wer ist dieser Mensch/dieses Unternehmen (persönliches Profil) & was genau bietet der Mensch/das Unternehmen an.

Wer auf diese Weise über sich redet, braucht keine Konkurrenz zu fürchten. Denn das Feld des Unternehmens ist einzigartig. Es erzeugt Resonanz bei den passenden Kunden.
Andere Felder erzeugen wieder bei anderen Kunden Resonanz. So finden alle die richtigen Beziehungen - wenn sie denn die Information ihres Marketing-Feldes genau kennen & genauso klar kommunizieren.
Konkurrenz kann also als Überschneidung von Informationsfeldern beschrieben werden. Die bisher übliche Art damit umzugehen, ist die Stärke des eigenen Feldes zu erhöhen. Dabei kommt jedoch letzten Endes nur Lärm heraus & niemandem ist wirklich geholfen.
Es gibt eine andere, viel schönere Möglichkeit, solche Überschneidungen zu beheben: indem ich mein eigenes Feld schärfer stelle, möglichst in Kommunikation mit den Unternehmen, deren Felder sich mit meinem eigenen überschneiden. Auf diese Art entsteht Harmonie, alle finden nebeneinander Platz & müssen nicht mehr gegeneinander arbeiten & sich Marktanteile wegschnappen.

Ich stelle mir jeden Menschen als ein Instrument im kosmischen Orchester vor. Die Musik dieses Orchesters klingt um so schöner, je mehr jedes einzelne Instrument (d.h. jeder einzelne Mensch) genau das spielt, was sie oder er am allerbesten kann. Das ist bei jedem Menschen verschieden, wir mindern unser eigenes Potential, wenn wir uns mit anderen vergleichen & andere in dem was sie tun übertrumpfen wollen.

Das Wort Harmonie habe ich in diesem Zusammenhang aus dem Sterntalerprinzip von Barbara Stern (siehe Eine neue Kultur) entnommen.

Meine Überlegungen bauen teilweise auf der Arbeit von Robert Heeß auf, speziell dem Artikel Zeigen Sie Persönlichkeit!

Der konkrete Anlass für diesen Beitrag ist, dass ich bald in der Leipziger Internetzeitung schreiben werde. Wenn's so weit ist werde ich das hier bekannt geben, ihr dürft schon mal gespannt sein!

Kontakt

Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
ist-einmalig_punkt_de

Intro

Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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