Dienstag, 14. November 2006

Kreditderivate

Mein persönlicher Wirtschafts-Guru Paul C. Martin alias dottore hat kürzlich im Elliott-Wellen-Forum darauf hingewiesen, dass im Markt für Credit Default Swaps eine Zeitbombe tickt. Die geht vielleicht sogar hoch bevor die Immobilienblase platzt. Um eine Grössenordnung zu nennen: Es geht um mehr als 30 Billionen US-Dollar (& das ist kein Übersetzungsfehler)!!
Zitat PCM: "Was wir 2000 ff. erleben durften, war nur das Stimmen der Instrumente vor der Ouvertüre."
Im Bericht der Bundesbank zu CDS (Beitrag "CDS hier ganz gut erklärt") heisst es:
Der Markt für Credit Default Swaps (CDS) hat in den letzten Jahren ein stürmisches Wachstum erfahren. CDS ermöglichen die Trennung des Kreditrisikos von der zu Grunde liegenden Kreditbeziehung und damit den separaten Handel dieses Risikos.
Aus Sicht der Notenbanken ist es eine Kernfrage, inwieweit die Entwicklungen auf den Märkten für Kreditderivate die Finanzmarktstabilität beeinflussen. Eine breitere Verteilung der Kreditrisiken verbessert insgesamt die Fähigkeit des Finanzsystems, Schocks zu absorbieren. Auf der anderen Seite kann die Entwicklung der CDS-Märkte auch mit Risiken verbunden sein, etwa dann, wenn die Gefahr systemischer Krisen auf Grund neu entstandener Ansteckungskanäle zunimmt.
Obgleich die Entwicklung der CDS-Märkte sich noch in einem frühen Stadium befindet, deuten eigene Untersuchungen darauf hin, dass die CDS-Märkte durch die schnellere Verarbeitung neuer Marktinformationen gegenüber den Anleihemärkten eine Preisführerschaft aufweisen und einen deutlichen Vorlaufcharakter vor Kreditwürdigkeits-Herabstufungen durch Ratingagenturen haben. Insgesamt lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass die CDS-Preise wesentliche Informationen zur Früherkennung von möglicherweise kritischen Entwicklungen im Finanzsystem enthalten.

Da hat unser patriarchales Geldsystem mal wieder gehörig über die Stränge geschlagen...

Mich gruselt's!

Sonntag, 12. November 2006

Talking 'bout my generation

Bei meiner ersten & voraussichtlich auch letzten Supervision in Jahnishausen stand die Verabschiedung von Sabine, ihren Kindern & einer anderen Mutter mit drei Kindern im Mittelpunkt. Davon ausgehend ergab sich (wie schon öfters in Jahnishausen) die Frage ganz allgemein nach Familien mit Kindern in der Gemeinschaft. Von den meisten, die in Jahnishausen bleiben, habe ich den starken Wunsch gehört, dass junge Menschen & Familien mit Kindern als Teil der Gemeinschaft am Platz leben. Was ich an anderer Stelle geschrieben hatte, entbehrt also jeglicher Grundlage. Meine Veranlassung war dabei auch nur, einen möglichen Druck rauszunehmen "wir müssen aber" wenn dies möglicherweise nur von einem Teil der Gruppe gewollt wird. Mir war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen, dass es dazu einen deutlichen Grundkonsens gibt. Schwierig ist folglich "nur noch" die Umsetzung.

Ganz zum Ende der Supervision wurde mir mit einem Paukenschlag bewusst, was das für ein Riesending ist & was da alles mit dran hängt. Denn Kinder konfrontieren mich ganz direkt & persönlich mit meiner Kindheit (Stichwort Inneres Kind, auch wenn ich den Ausdruck ganz schön abgedroschen finde). Selbst meine Generation ist grösstenteils bei weitem noch nicht so frei aufgewachsen wie ich es heute bei vielen Kindern erlebe.
Ich selber habe lange Zeit mit Kindern nichts anfangen können. Erst vor wenigen Jahren konnte ich mir eingestehen, dass es an meinen eigenen Schmerz rührt, als Kind nicht wie das freie Wesen behandelt worden zu sein, das wir doch alle sind, wenn ich Kindern begegne. Nach & nach konnte ich es geniessen, einfach zu spielen. Das war sehr befreiend für mich & fiel mir von Mal zu Mal leichter. Dazwischen jedoch fühlte ich den alten Schmerz, liess ihn zu, auch jedes Mal ein Stückchen mehr.

Die Gemeinschaft in Jahnishausen hat sich damit einer Jahrhundertaufgabe angenommen, wenn es denn in einem Jahrhundert zu schaffen ist.
Noch schwerer ist es wohl für die heutige Grosselterngeneration, denn sie haben einerseits selbst als Kinder grosse Entbehrungen erlebt, & oft haben sie in ihrer Rolle als Eltern ihren Kindern auch nicht das geben können, was viele Kinder heute bekommen.
Das sind keine guten Voraussetzungen, unbeschwert mit Kindern zu leben. & doch können sich natürlich nicht alle Erwachsenen ausschliesslich mit ihren eigenen Verletzungen beschäftigen.
Ich ziehe also sämtliche (nicht vorhandene) Hüte vor den Menschen in Jahnishausen, dass sie sich dieser Herausforderung stellen.

& die Tragweite von Punkt 2 meiner Gemeinschaftsgrundsätze wird mir erst jetzt klar. Wo die Erwachsenen es Kindern ermöglichen, frei auzuwachsen, da wird der Grundstein für eine freie Gesellschaft gelegt & das Ende der Elternkultur eingeläutet. Dann gehen nämlich die Erwachsenen zunehmend auch frei miteinander um - das fällt uns meist noch leichter als Kinder so sein zu lassen wie sie sind. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich - aber erst ab 18... & natürlich abgesehen von Menschen, die keine BürgerInnen dieses Staates sind.
Das hängt alles miteinander zusammen, & nach meiner Einschätzung ist unser Verhältnis zu Kindern die Richtschnur, wie wir generell mit anderen Menschen umgehen. Wenn ich ein Kind ohne Bedenken so sein lassen kann wie es ist, dann werde ich auch Erwachsene nicht herumkommandieren oder ändern wollen - kurz gesagt ihnen meinen Willen aufzwingen wollen. Im Zusammenleben mit Kindern kann ich üben, was herrschaftsfreies Handeln wirklich bedeutet. Zugleich kann ich daran - wieder ein abgedroschener Ausdruck - spirituell wachsen.

Sonntag, 5. November 2006

Warum unser Geldsystem patriarchal ist

Beim Wäsche aufhängen kam mir eine sehr grundlegende Erkenntnis: nämlich wie die Nicht(be)achtung der lebensfördernden Arbeit mit unserem kapitalistischen Geldsystem zusammenhängt. Dieser Beitrag ist also eine Ergänzung zum Beitrag über die Konferenz in Klein Jasedow.
Margrit Kennedy hatte ich da ja noch gar nicht erwähnt. Ihr Schwerpunkt ist die Entwicklung von Komplementärwährungen, die nach anderen Prinzipien funktionieren als unser herrschendes Geldsystem (siehe dazu Eine Billion Dollar). Das Hauptproblem ist ja der Zinseszinseffekt, durch den in zinsbehaftetes Geld fast automatisch ein exponentielles Wachstum eingebaut ist. Dieser entsteht, weil ich die Zinsen, die ich für meine Geldanlage bekomme, wieder neu anlegen kann.
Margrit Kennedy sprach auf der Konferenz davon, dass sie als Stadtplanerin oft ihre ökologischen Ideen nicht verwirklichen konnte; als Antwort auf ihre Pläne bekam sie oft zu hören "das rechnet sich nicht". Indem sie der Frage nachging, was "sich rechnen" eigentlich bedeutet, kam sie unserem Geldsystem auf die Spur. Eine Investition "rechnet" sich nur dann, wenn sich das investierte Geld schneller vermehrt als wenn es festverzinslich zum jeweils geltenden Zinssatz angelegt wird. Oder andersrum: sie rechnet sich nur, wenn sie mehr erbringt als die Kreditzinsen, die der Investor zahlen muss.

Vor diesem Hintergrund wird nun klar, warum das kapitalistische System lebensfördernde Arbeit (unschön Reproduktionsarbeit genannt) missachten muss: Sie rechnet sich nicht. Denn anders als kapitalistisches Wirtschaften ist sie gar nicht darauf aus, einen Profit, einen Mehrwert zu erwirtschaften. Ihrem Wesen nach erhält sie die bestehenden Werte, die es zum Weiterbestehen des Haushalts, der Familie, weiter gehend der Menschheit & des ganzen Planeten braucht.
Bernard Lietaer hat sich um die Zusammenhänge zwischen patriarchaler Kultur & kapitalistischer Geldwirtschaft sehr verdient gemacht. Als Einstieg eignet sich sein Artikel Gier und Knappheit.

Natürlich steckt hinter der Nichtachtung der lebensfördernden Arbeit viel mehr als "nur" das Geldsystem. Dieses ist jedoch ein grundlegendes Element unseres Wirtschafts- & Gesellschaftssystems, es prägt auch unsere Kultur wesentlich mit. Letzten Endes beeinflussen sich diese Faktoren alle gegenseitig, & am wirksamsten können wir sie ändern, indem wir an mehreren Aspekten gleichzeitig arbeiten. Am Anfang steht dabei immer, sich die Dinge (& wie sie miteinander zusammenhängen) ins Bewusstsein zu rufen.

Dienstag, 31. Oktober 2006

Der Personal Fabricator

Beim Stöbern im Oekonux-Archiv fand ich die Heise-Meldung 3D-Druck aus dem Copyshop, die die Dienstleistung rapidobject vorstellt. Dies ist ein Fabber, wie ihn Frithjof Bergmann als zentralen Bestandteil der Neuen Arbeit beschreibt (siehe High-Tech Eigenproduktion: Der Personal Fabricator). Fabbit ist eine Initiative eines anderen Unternehmens, die genau das gleiche vorhat; der Text auf der Website ist eine gelungene knackige Einführung ins Thema.

Ich bin grad so begeistert, dass ich kaum ruhig sitzen & schreiben kann...
Star Trek wird langsam Wirklichkeit. Mich faszinierte an dieser Science-Fiction-Serie schon immer, dass die Menschen dort im Überfluss leben, sich mittels Replikatoren alle materiellen Güter beliebig herstellen können & deshalb Geld gar nicht mehr benötigen.
Ein Traum rückt in greifbare Nähe!

Als Einstieg in Oekonux eignet sich übrigens der Vortrag von Stefan Merten hervorragend.

Sonntag, 22. Oktober 2006

Nicht MITmachen - SELBERmachen!

Bei der Konferenz "Aufschwung für den Lassaner Winkel" der Europäischen Akademie der Heilenden Künste hatte ich im Gespräch mit einer Frau aus der Klein Jasedow-Familie ein echtes Schlüsselerlebnis. Sie sprach davon, dass oft Leute bei ihnen anfragen, ob sie in Klein Jasedow mitmachen können. Auf solche Anfragen antwortet sie, dass die Leute gerne in den Lassaner Winkel oder auch direkt ins Dorf ziehen können, aber dort dann selber ihr eigenes Ding machen. Nur auf dieser Basis ist dann eine Zusammenarbeit & eventuell ein engeres Zusammenleben möglich. Eine Gemeinschaft, die nur auf Mitmachern/Mitläufern aufbaut, kann nicht nachhaltig sein. Wenn nämlich die "Macher" in einer solchen Gemeinschaft aus welchen Gründen auch immer ausfallen, dann fällt die ganze Gemeinschaft auseinander.

Dazu passt wunderbar Frithjof Bergmann mit seinem Wirklich, wirklich wollen. Seine Beiträge zur Konferenz haben mir persönlich nicht viel Neues gebracht, da ich ihn schon in der Akademie Heiligenfeld erlebt hatte & seither schwer begeistert bin.
Heide Göttner-Abendroth hingegen (die ich auch schon vor einigen Jahren im ZEGG erlebt hatte) lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Reproduktionsarbeit, die sie viel schöner lebensfördernde Arbeit nennt. Diese Arbeit, die die Grundlage des menschlichen Lebens überhaupt erst schafft, wird von unserer patriarchal-kapitalistischen Kultur fast komplett ignoriert. Dabei ginge ohne diese Arbeit gar nichts mehr.
Die lebensfördernde Arbeit folgt der Logik des Schenkens, sowohl im Rahmen einer matriarchalen Kultur, in der sie im Mittelpunkt steht, als auch in unserer patriarchalen Kultur. Hier wird in erster Linie von Frauen erwartet, dass sie ihre Arbeit am Leben dem System ohne Gegenleistung schenken, ohne dass diese Arbeit auch nur ansatzweise gewürdigt wird.
Das scheint mir übrigens auch bei der Neuen Arbeit so zu sein - von Arbeiten wie Wäsche waschen, Kinder grossziehen usw. habe ich in diesem Zusammenhang bisher noch nicht gehört. Zugegeben, das Buch habe ich noch nicht gelesen.

Während der Konferenz habe ich mich ganz unwillkürlich selber gefragt, was ist es eigentlich, das ich wirklich wirklich will, & heraus kam etwas für mich sehr Überraschendes:
Ich will in einem sozialen Zusammenhang leben, in dem ich nicht mehr geistige Höhenflüge veranstalten & grosse Visionen verfolgen muss, sondern durch lebensfördernde Arbeit voll befriedigt werde. Ein sozialer Zusammenhang (eine Gemeinschaft, aber dafür braucht es auch entsprechende umfassendere gesellschaftliche Strukturen bzw. Übereinkünfte), in dem ich mich nicht mehr um jeden Preis "selbst verwirklichen" muss, damit mich die anderen anerkennen.
So etwas fällt natürlich nicht vom Himmel, deshalb ist politischer Einsatz für solche soziale Zusammenhänge etwas, das ich wirklich wirklich will.
Es geht mir dabei auch um die althergebrachten patriarchalen Geschlechterrollen. Schon seit einigen Jahren trage ich den Gedanken mit mir herum, dass ich gern den Haushalt schmeissen will um damit meiner Frau zu ermöglichen, ihrer Vision nachzugehen.
Damit gebe ich mich selbst nicht auf, wenn es auch vielleicht für manche so erscheint. Ich willl nicht mehr kämpfen, will nicht mehr mich durchsetzen müssen - wofür auch? Wir leben in einer neuen Zeit, da stehen ganz andere Werte im Vordergrund. Es geht ums sich verbinden miteinander. Zurückstecken, sich aufgeben, klein beigeben - das sind Begriffe der alten Kultur, des alten Wertesystems. Es sind, um es deutlich zu sagen, Begriffe aus dem Krieg. Begriffe, die nur Sieger kennen, wenn andere verlieren.
Davon verabschiede ich mich hin zu einer Logik der Kooperation.
Würde ich kämpferisch meine ganz persönliche Vision verfolgen ohne dabei auf mein Umfeld zu achten, dann verletzte ich die Werte, die hinter meiner Vision stehen (ich spreche hier von der Turnschuhfirma). Schuhe unter fairen Bedingungen herzustellen ist nur ein Baustein der heraufdämmernden kooperativen Kultur, für die ich mich einsetze. Deshalb müssen die Mittel mit dem Zweck übereinstimmen, wie schon Gandhi erkannt hatte. Ich übe die geistige Haltung der Tiefen Demokratie.

Kontakt

Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
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Mail: rincewind_at_
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Intro

Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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