Sonntag, 28. Mai 2006

Gemeinschafts-Unternehmen

Je länger ich mich nun sowohl mit Gemeinschaften als auch mit Wirtschaftsunternehmen beschäftige, um so deutlicher merke ich, dass beide unheimlich viel voneinander lernen können. Schliesslich ist jedes Unternehmen, das grösser ist als eine 1-Personen-Butze, immer auch eine Gemeinschaft. & eine Gemeinschaft, die längerfristig bestehen will, muss auch als wirtschaftliches Unternehmen erfolgreich sein.
Das Know-How, das Menschen in Gemeinschaften sich erarbeiten, ist auch für gewinnorientierte Unternehmen sehr nützlich. Umgekehrt lassen sich viele Methoden aus dem Management in Gemeinschaften einsetzen.

Ein wichtiges Verbindungsglied der beiden - vermeintlich so weit auseinanderliegenden - Welten ist für mich Wolfgang Bergers Business Reframing.

Worum es Berger geht, fasst folgendes Zitat gut zusammen:
Reframing bezeichnet die Umgestaltung der Funktionsweisen eines Systems, die Änderung seines inneren Schaltplans, seiner inneren Landkarte, seine Anpassung an neue Gesetze, die Erhaltung seiner Lebensfähigkeit auf einer höheren Evolutionsstufe. Human Reframing hebt das Denken des einzelnen auf eine höhere Ebene; es ist evolutionäre Sozialisation. Business Reframing hebt das Denken in Unternehmen auf eine höhere Ebene; es ist evolutionäre Kooperation.
Um Kooperation dreht sich in Unternehmen & in Gemeinschaften alles; ohne Kooperation fallen sie mittel- bis langfristig auseinander.
Damit kommen wir nebenbei bemerkt wieder zu der Frage, wie sich Bewusstseine synchronisieren lassen.

Wenn er schreibt
Unternehmerisches Blühen und Gedeihen entspringt nicht aus wirtschaftlichem Wachstum, sondern aus menschlichem Wachstum. Die einzige Aufgabe der Unternehmen ist es, Menschen Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung zu verschaffen.
dann entspricht das weitgehend den Zielen & Wünschen vieler Gemeinschaften, die alternative Lebens- & Wirtschaftsweisen praktisch erproben wollen. Das Konsensprinzip ist ein konkretes Beispiel dafür:
In grundsätzlichen Dingen sind Mehrheitsentscheidungen verboten; sie führen dazu, dass die unterlegene Minderheit nach Rache sinnt und die Gruppe sprengt. Entscheidungen müssen einmütig sein, damit jeder sich mit ihnen identifiziert und ihnen dadurch zum Erfolg verhilft. [...] Hat nur ein einziger in der Gruppe Zweifel, kann es sein, dass sein Urteil das richtige ist.

Business Reframing dreht die Kausalität um:
Nicht Ursachen produzieren Wirkungen, sondern Wirkungen ziehen die Ursachen an, die sie zu ihrer Verwirklichung brauchen.
Die drei "Attraktoren" einer solchen Umpolung der Kausalität sind:
  1. Verantwortung
    Das ist die Fähigkeit, Anforderungen und Herausforderungen anzunehmen. "Ver-antwort-ung" heißt, dass wir die Antwort finden müssen, die das Leben stellt. Es ist keine moralische Last, sondern eine Folge von Freiheit und Integrität.
  2. Achtung
    Achtung entsteht, wenn wir uns selbst und andere jenseits aller Urteile und Vorurteile neu sehen. "Achtung" (Acht geben) umfasst aufmerksames Sehen. Niemand muss sich Achtung verdienen, jedem soll sie ohne Vorbedingung geschenkt werden.
  3. Anerkennung
    Anerkennung ist eine menschliche Qualität, durch die der "Wert" eines anderen Menschen erkannt wird - nicht nur der Wert dessen, der er ist, sondern auch der Wert seines Potenzials - also des Menschen, der er werden kann. Es ist eine notwendige Grundlage für Enthusiasmus und Selbstbewusstsein, und damit für Außergewöhnlichkeit.
Das ist nicht weniger als die Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben von Menschen. Dieser Abschnitt könnte genausogut auf Gemeinschaften gemünzt sein, dafür braucht kein einziges Wort geändert werden.

Ich schliesse mit Bergers Ausführung zu Beziehungen:
Eine Beziehung zu einem Menschen haben heißt, ihn ohne irgendeine Bedingung akzeptieren, wie er ist, und als mir gleichwertig anerkennen. [...] Wenn wir um diese Gleichwertigkeit bei jedem Menschen wissen, steht uns ein ganzer Himmel voller Möglichkeiten offen. Jeder, dem wir so entgegentreten, wird unsere Offenheit als offene Tür erkennen, als Einladung zum Eintreten.

Samstag, 27. Mai 2006

Größer denken, Grenzen überschreiten

Es fühlt sich ungeheuer erregend an, ein Paradigma zu verlassen & mit jedem Schritt neues Land zu betreten. Sowohl alte Gewissheiten & Selbstverständlichkeiten als auch alte Ängste verlieren ihren Sinn & bleiben hinter mir, was ich jedes Mal aufs Neue überrascht bemerke. Die Frage "wie verdiene ich meinen Lebensunterhalt?", die mich noch vor wenigen Tagen mit Schuldgefühlen plagte, ist hinfällig angesichts der weltweiten & zugleich ganz persönlichen Herausforderungen, die Nicanor Perlas vor uns ausbreitet.

Größer denken ist angesagt!

Freitag, 26. Mai 2006

Nicht revolutionär genug?

Im Moment weiss ich gar nicht, ob ich tatsächlich ein Unternehmen gründen oder nicht doch lieber soziale Revolution machen will. Akut deshalb, weil mir der Blick von oben auf den tanzenden Kongress bewusst macht, dass dort unten keinE einzigeR Hartz IV-EmpfängerIn tanzt. "Der singende, tanzende Abschaum der Welt", wie Tyler Durden sagt, bleibt ausgeblendet im Hintergrund.
Die Frage wer wird wo ausgeschlossen aus dem Wirtschaftsleben & anderen gesellschaftlichen Kontexten (im Fall der Psychatrie ist das Aus-Schliessen wörtlich zu nehmen) geht mir verstärkt nach hier auf diesem Kongress. Sie selbst wird nämlich auch meist ausgeblendet (zur Ehrenrettung des Kongresses: hier weniger als anderswo).
Als Unternehmer betreibe ich ein Geschäft, das irgendetwas verkauft, seien es Dienstleistungen oder Produkte. Im heutigen System wird es immer eine ganze Menge von Menschen geben, die sich dieses schlicht & ergreifend nicht leisten können obwohl sie's eigentlich gerne hätten. Das muss ich in Kauf nehmen, wenn ich ein herkömmliches Wirtschaftsunternehmen betreibe, welches einen Ertrag abwerfen soll. Selbst wenn ich nur kostendeckend arbeiten wollte, müsste ich Menschen von meinen Leistungen ausschliessen.
Will ich das?

Eine offene Frage im Moment. Frithjof Bergmann mit seiner Neuen Arbeit hat in dieser Hinsicht mein Weltbild ganz schön ins Wanken gebracht; für ihn ist unser System von Unternehmen, die Menschen als Lohn- oder Gehaltsabhängige beschäftigen, ein Auslaufmodell. Irgendwo ganz hinten in meinem Bewusstsein war mir das vorher auch schon klar gewesen; jetzt habe ich es unwiderbringlich auf dem Schirm & es beeinflusst meine Vision in Sachen Turnschuhe.

Ist es revolutionär genug, ein Unternehmen in der Art aufzuziehen wie ich es in meinem Konzept skizziere? Oder verweile ich damit nicht doch bloss in einem zum Sterben verurteilten System?
Mir geht es ja gar nicht darum, auf Teufel komm raus was Neues & Revolutionäres zu schaffen. Es soll aber nachhaltig sein bzw. lange Zeit überdauern, & das ist in unserer Zeit des Umbruchs gar nicht so leicht. Lineare Fortschreibungen des Bestehenden sind in jedem Fall zum Scheitern verurteilt.

Auf jeden Fall werde ich mich intensiver mit der Neuen Arbeit & Neuen Kultur beschäftigen - da steckt einiges drin. Eine Welt, in der alle Menschen das tun können was sie wirklich wirklich wollen & dafür auch die nötigen Ressourcen bekommen, ist genau auch mein Traum. Wie das organisieren? Wie das bestehende System dahingehend verwandeln, & zwar ich persönlich als zunächst einzelner Mensch?
Ich kann & will nicht warten, bis Bernard Lietaer & Co. unser Geldsystem dahingehend ergänzt haben, dass nachhaltiges Wirtschaften (wieder!) lohnend wird. Im Moment suche ich danach, wie ich persönlich, Timo Ollech, mich hier & heute am effektivsten für diesen Traum, diese Vision einsetzen kann.

Ich will ganz vorne dabei sein, in der ersten, nicht in der zweiten Reihe & schon gar nicht noch weiter hinten. Mein Bestes geben & dabei niemandem etwas von mir vorenthalten. Das erwartet mein Heimatplanet von mir.


*Klick*
Grad wird mir ein Zusammenhang klar: Für meinen Vater bin ich nämlich Abschaum. Also auch deshalb fühle ich mich den Verdammten dieser Erde so verbunden. Mich erfüllt das Abschaum-Sein nicht mit Trotz, sondern ich bin stolz darauf. Stolz darauf, als Abschaum betrachtet zu werden & zu wissen, dass ich absolut wichtig für das Ganze bin. Nur eben anders als der Mainstream, als die Arrivierten, die gesellschaftliche Norm(alität), die doch so oft nur der viel grössere Wahnsinn ist.
Non, je ne regrette rien.


Zum Abschluss noch mal Fight Club:
Ihr macht Jagd auf die Leute, auf die ihr angewiesen seid. Wir kochen eure Mahlzeiten, fahren eure Krankenwagen, stellen eure Anrufe durch, holen euren Müll ab. Wir bewachen euch, während ihr schlaft. Versuch nicht, uns zu verarschen!
& das ist noch der privilegierte Abschaum, diejenigen für die die 20:80-Gesellschaft noch eine Verwendung hat. Die Weichen für die Zukunft stellen die Unbrauchbaren, die "industrielle Reservearmee", wie Karl Marx sie schon nannte. Das alles sind Menschen mit einem tief verborgenen Traum; etwas das sie wirklich wirklich wollen, scheiss drauf was das Jobsystem dazu sagt, ob es brauchbar ist für die kapitalistische Verwertungslogik. Wer nichts mehr zu verlieren hat, kann sich seine Maßstäbe selber setzen.
Mit diesen Menschen werde ich an der neuen Welt bauen.

Dienstag, 23. Mai 2006

Update: Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus

Den Kongress Wie wollen wir wirtschaften? Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus hatte ich schon Anfang Dezember angekündigt, jetzt war ich wieder auf der Website & dort tut sich einiges. So steht jetzt Zeit & Ort des Kongresses fest:
24. bis 26. November 2006 in Berlin
Einen Newsletter gibt es inzwischen auch, den ich soeben abonniert habe.

Montag, 22. Mai 2006

Anker in die Zukunft werfen

Vor allem seit ich mit Sabine zusammen bin, krempelt sich mein Leben in einer atemberaubenden Geschwindigkeit um. Planen, mir Ziele setzen & diese dann ziel-strebig zu verfolgen geht einfach nicht mehr. Mir bleibt in diesem Zustand nur noch, Anker in die Zukunft zu werfen & dann ganz viel zu fieren. So ist dann einerseits der Weg das Ziel & anderseits der Weg nicht fest vorgegeben; der Anker dient nur als Orientierungspunkt.
Einer seiner Haken steckt im Jahr 2018 bei der Fussball-Weltmeisterschaft.
Es ist nämlich schon im Winter in Jahnishausen die Vision in mir gereift, dass ich ein Unternehmen gründen werde, das "Faire Turnschuhe" produziert & verkauft. Das heisst so viel wie Turnschuhe, die anders als heute ohne Ausbeutung von Mensch & Natur hergestellt werden. Über die heute gängigen Produktionsbedingungen kannst Du Dich beispielsweise bei der Kampagne für saubere Kleidung informieren.
Ich habe ein Konzept geschrieben, das in der jeweils aktuellen Fassung hier heruntergeladen werden kann (im PDF-Format): Faire Turnschuhe.

Vor diesem Hintergrund wird wohl auch noch einmal klarer, was mich als in erster Linie Gemeinschaftsreisenden auf Tagungen wie Profit & Spiritualität, die Alternativen Genossenschaftstage oder die Oikos-Konferenz zieht & warum ich mich hier über Meilensteine der Wirtschaftswissenschaft auslasse. Im übrigen auch weshalb ich so begeistert von brand eins, Wolfgang Bergers Business Reframing & der Arbeit von Michael Braungart bin.
Meine Überlegungen zum Paradigmenwechsel vom Mangel zur Fülle gehören hier auch hin.

Was hat es nun mit der 2018er Fussball-WM auf sich? Ich träume davon, die brasilianische Nationalmannschaft auszustatten - die in diesen Schuhen natürlich den Titel holt :-D

Dass ich die Katze ausgerechnet jetzt aus dem Sack lasse hat seinen Grund: Über Himmelfahrt fahre ich nach Bad Kissingen zum Kongress Der neue Geist in der Wirtschaft in der Akademie Heiligenfeld. Nicht nur deshalb fühle ich, dass die Zeit reif ist, meine Idee auch hier öffentlich zu machen.

Ich lerne nicht mehr, ich übe jetzt

Wer genau aufgepasst hat, hat bemerkt, dass der Untertitel meines Blogs jetzt "Von einem der auszog, Vertrauen zu üben" lautet. Gelernt habe ich nämlich zur Genüge was es mit Vertrauen auf sich hat, ich übe jetzt verstärkt & probiere aus.
Mein Motto Lehn dich zu weit aus dem Fenster greift langsam. Das macht sich darin bemerkbar, dass es mir seit einiger Zeit manchmal zu viel wird & ich mich wirklich unsicher & in der Schwebe fühle. In manchen Situationen schwimme ich ohne festen Boden unter den Füssen. Doch genau darum geht es mir ja: Neues Land betreten. Oder eben Wasser. In dem ich mich nicht schon orientieren kann, in dem ich mich noch überhaupt nicht auskennne.

Heute bin ich das zweite Mal losgefahren, ohne zu wissen wo ich dort wo ich hinwollte übernachten kann. Ein paar Möglichkeiten hatte ich, doch keine Zusage.
Da kommt dann schon bei mir die Frage auf, werde ich auf die Art nicht zum Schmarotzer? Oder jedenfalls dränge ich mich vermutlich ganz schön auf.
Mein alter Glaubenssatz "Ich darf niemandem zur Last fallen" sagt Hallo. Ich grüsse zurück & lasse ihn einfach mal so stehen, beobachte was in mir & um mich herum passiert.

Dafür erhalte ich bei anderen Gelegenheiten völlig unerwartete Geschenke: Letzten Montag bin ich nach Jahnishausen gefahren, um Sabine zu überraschen. In Döbeln stand ich an der Ausfahrt des Autohofes, von wo aus mich ein Bewohner des nächsten Dorfes mitnahm & erst mal zum Abendessen einlud. Da war ich ja völlig baff. Er ist früher in der DDR auch viel getrampt & nun wo er selber ein Auto hat, nimmt er wenn immer möglich TramperInnen mit. Nach dem Essen brachte er mich noch bis an die Haustür in Jahnishausen.
Sowas kann einem auch passieren, wenn mensch vertraut. Ich übe weiter!!!

Kontakt

Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
ist-einmalig_punkt_de

Intro

Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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Frei
Na prima das mit der Arbeit.
Jörg (Gast) - 2009-09-03 14:53

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