Freitag, 17. Februar 2006

What the #$*! Do We Know!?

Selten hat mich ein Film so extrem inspiriert wie What the Bleep Do We Know?!, den ich mir in Dresden mit etlichen anderen aus Jahnishausen angesehen habe. In einen Satz komprimiert dreht sich der Film um die Frage, was ist eigentlich (die) Wirklichkeit, was können wir darüber wissen & welchen Einfluss haben wir darauf?

Für mich der spannendste Aspekt ist, dass der Film ausgiebig auf das Phänomen Sucht eingeht. Auch weil mich selber ja seit einiger Zeit meine Esssucht beschäftigt. Mir hat der Film gezeigt, was es braucht, um aus diesem Teufelskreis von Dosis erhöhen oder - in einer Formulierung von Paul Watzlawick - more of the same (mehr desselben) herauszutreten. Mehr dazu siehe Meta-Problemlösungs-Strategien und die Idee der Problemlösungen II. Ordnung. Das Buch Change; Principles of Problem Formation and Problem Resolution (dt. Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels.) ist ein bahnbrechendes Werk auf diesem Gebiet.

Nun beschreibt der Film, was beim Dosis erhöhen in den einzelnen Zellen passiert: die Rezeptoren für den Suchtstoff schrumpfen. Dadurch wirkt das Andocken des Botenstoffs an einem einzelnen Rezeptor schwächer. Gleichzeitig vermehren sich die Rezeptoren & verdrängen andere Rezeptoren. Im Ergebnis wird die "süchtige Zelle" immer abhängiger von dem einen bestimmten Botenstoff. Das muss keine Droge sein, die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, der Mechanismus funktioniert mit Nährstoffen genauso. Zucker ist z.B. ein häufiger Kandidat.
Was ist das Gegenmittel? Vielfalt! Gezielt nicht immer mehr von dem einen Stoff (oder Gefühl, oder Gedanken, ...) in mich reinstopfen, sondern mich einer Vielzahl von unterschiedlichen Reizen aussetzen.

Gerald Hüther erzählte ähnliches über die Gehirnentwicklung beim Rudolf-Bahro-Symposium. Die Neuronen bilden zunächst viel mehr Verknüpfungen als langfristig gebraucht werden, damit unter den vielen Möglichkeiten die besten erhalten bleiben.

Dieser Gedanke auf das Wirtschaftssystem übertragen bedeutet: Wir brauchen kein eindimensionales Wachstum, sondern wachsende Vielfalt!

Ein nächster Gedanke: Der Zwang Wirtschaftswachstum stellt nichts anderes dar als die Dosis erhöhen; & zwar weil das Suchtmittel Geld eindimensional & monopolisiert vorliegt. Es gibt zwar verschiedene Währungen, die aber alle so miteinander verknüpft sind, dass Liquidität als einziges Ziel übrig bleibt.
Deshalb liegt als Ausweg eine Vielfalt an Geldsystemen/Währungen nahe, wie sie Bernard Lietaer propagiert. Der kurze Artikel Währungssysteme und Archetypen ist ein guter Einstieg.

Wolf Lotter hat ein Buch geschrieben, das ich vor kurzem entdeckte & mir bestimmt bald auch besorgen werde: Verschwendung. Wirtschaft braucht Überfluss - die guten Seiten des Verschwendens.
& natürlich gehört hier Götz Werner mit seinem Paradigmenwechsel Mangel -> Fülle hin.
Ebenso Hans Jecklin mit seinem Buch Wirtschaft Wozu? Abschied vom Mangel.


Die zweite umwälzende Erkenntnis, die mir der Film gebracht hat:
Wir sind Kommunikation!!!
Die Neurobiologin Candace Pert (englischer Artikel bei Wikipedia) beschreibt, dass im ganzen Körper ständig verschiedenste Botenstoffe zirkulieren & alle Zellen diese Informationen aufnehmen, darauf reagieren & in vielen verschiedenen Organen solche Botenstoffe hergestellt werden. Das wird im Film noch als Computeranimation visualisiert, & dieses Bild von den unzähligen Botenmolekülen hat mich völlig geflasht. Irgendwie gewusst hatte ich das schon lange, doch erst die Eindrücke des Films machten mir klar, dass mein ganzer Körper ein einziger riesig komplexer Kommunikationsprozess ist. & die Kommunikation macht an den Grenzen des Körpers nicht halt. Letzten Endes ist das ganze All ein Geflecht von Energieeinheiten, die ständig miteinander kommunizieren.
Mich persönlich hat das ganz stark darin bestätigt, mich nicht zurückzuhalten, wenn ich etwas mitzuteilen habe. Diese Sichtweise entfernt sich sehr weit von "mir", der festen, isolierten Persönlichkeit, die verschiedenste Gründe hat zu schweigen. Es verschwimmen auch die Grenzen. Zwischen "ich" & "du", zwischen "mir" & "der Welt" - das ist ständig im Kontakt & tauscht sich aus. Angst brauche "ich" dann auch keine zu haben. Wovor auch?
Watzlawicks Satz "Man kann nicht nicht kommunizieren" hat für mich eine ganz neue, fühlbare Qualität bekommen.


Zum Schluss nochmal zu der allgemeinen Aussage des Films zwei Assoziationen:
Wolfgang Berger schreibt in Business Reframing:
Das Ergebnis ist vor allen einzelnen Maßnahmen da, die es verursachen. Die Ursache-Wirkungs-Kausalität hat sich umgekehrt. Die Wirkung ist der Magnet, der die Ursachen anzieht, die sie braucht, um sich zu verwirklichen.

In genau die gleiche Kerbe haut der Vortrag Quantenbewusstsein von Deepak Chopra, den ich übrigens in meinem Spirituellen Taschenkalender 2005 gelesen habe.

Dienstag, 14. Februar 2006

Bewusstseine synchronisieren

Beim Forum der Lebens(t)raum - Gemeinschaft Jahnishausen ging es heute Abend viel darum, dass einigen Menschen hier in der Gemeinschaft momentan der gemeinschaftliche Geist fehlt. In ihrer Wahrnehmung leben zur Zeit alle weitgehend für sich, machen ihr eigenes Ding, wodurch viele Kämpfe & Interessenkonflikte entstehen. Es stand sogar das Bild von "jedeR gegen jedeN" im Raum.
Andere konnten das nicht nachvollziehen & sehen gerade solche momentanen Uneinigkeiten als das, was eine tragfähige Gemeinschaft ausmacht. Das sind Gelegenheiten, miteinander ins Gespräch zu kommen & die Menschen als unterschiedliche Individuen genauer kennen zu lernen.
Damit jetzt niemand denkt, hier sei ständig Stress & Konflikt am abgehen: das ist eine Momentaufnahme. Dennoch gehört so etwas zu Gemeinschaft dazu, dessen sollte mensch sich bewusst sein. & wenn sich alle immer einig wären, fände ich persönlich es jedenfalls todlangweilig!

Diese Beobachtungen nehme ich an dieser Stelle zum Anlass, eine Frage an alle zu stellen:
Gibt es Verfahren, um menschliche Bewusstseine zu synchronisieren, ohne dass dabei Einzelne eine Richtung vorgeben?
Das bisher gängige Modell zur Synchronisation von Bewusstseinen ist Führung, eng verwandt damit Autorität: eine Person (oder eine kleine Führungsgruppe) gibt die Richtung für den Rest vor & geht voran. Dass dieses Verfahren für mich als Anarchisten & Verfechter der freien Kooperation nicht akzeptabel ist, liegt auf der Hand.
Wolfgang Berger beschreibt in seinem Buch Business Reframing das Phänomen der neuronalen Resonanz. Die Gehirnschwingungen von Menschen, die viel Zeit nahe beieinander verbringen, gleichen sich an, sie synchronisieren sich. Auch Berger geht allerdings davon aus, dass das am effektivsten von oben nach unten geschieht, also nach dem Modell von Führung. Autoritäte Führung, am besten noch im Befehlston, lehnt er vehement ab. Dies sage ich um hier keine falschen Eindrücke entstehen zu lassen.
Trotz allem Gerede von kooperativem Führungsstil bleibt doch noch das Gefälle von einigen wenigen, die führen, & der grossen Masse, die diesen Führern folgt.
Ich suche Methoden, die Bewusstseine von Menschen auf völlig freiwilliger Basis zu synchronisieren, & zwar ohne Machtgefälle.

Als mögliche Ansprechperson fiel mir zuerst Starhawk ein, eine moderne Hexe, die sich stark politisch engagiert & magische Rituale in den Widerstand gegen Globalisierung & Co. einbringt.

Ein Beispiel für ein solches Verfahren scheint mir der Klangdom zu sein: Dabei stellt sich eine Gruppe im Kreis auf, & alle fangen gleichzeitig an, irgendeinen Ton zu singen oder zu summen. Das klingt zu Beginn vielleicht ziemlich schräg, aber mit der Zeit finden sich Harmonien ein. Dabei bestimmen alle SängerInnen selbst, wann sie welchen Ton singen, & wenn niemand versucht so laut wie möglich zu singen, sind alle dabei wirklich gleichberechtigt.

Samstag, 4. Februar 2006

Der grüne Planet

Übers Wochenende bin ich zu Besuch bei einer Freundin in Dresden. Heute Abend haben wir uns den Multimediavortrag Der grüne Planet - Abenteuerliche Reisen in die Urwälder der Erde in der TU angesehen. Veranstaltet wurde das Ganze von Greenpeace. Den Vortrag hielt der Fotograf Markus Mauthe, der für Greenpeace in verschiedene Urwaldgebiete gereist ist, um einerseits deren Schönheit & Vielfalt sowie den Nutzen für die Menschheit & das Ökosystem Erde zu dokumentieren, andererseits aber auch deren voranschreitende Zerstörung.
Ein Schock war für mich die Karte mit dem Vergleich von Urwaldflächen auf der Erde vor 8000 Jahren & heute:
Urwälder vor 8000 Jahren & heute
(Bild © Greenpeace, drauf klicken für die volle Auflösung)
Die heutigen Urwaldflächen sind grün gekennzeichnet, alles was gelb markiert ist, ist als Urwald von der Erdoberfläche verschwunden. Dazu zählen auch Gebiete, wo die Urwälder durch Wirtschaftswälder ersetzt wurden. In diesen ist die Artenvielfalt viel geringer, zumal in Monokultur-Wäldern.

Was kannst Du als EinzelneR tun, um diese letzten Urwaldgebiete zu erhalten? Im Alltag kannst Du entscheiden, welches Holz & welches Papier Du verwendest. Eine gute Richtschnur ist dabei das Gütesiegel des Forest Stewardship Council, das nicht nur Holz, sondern auch Papiersorten auszeichnet. Schau mal auf die ersten Seiten der Bücher, die Du liest, da sollte sich dieses Logo finden:
Regeln für die Verwendung des FSC-Logos
Ein anderes Gütesiegel für umweltschonende Holzprodukte vergibt Naturland.

Wenn Du Geld anlegen willst, kannst Du dies mittels eines Baumsparvertrags tun & die nachhaltige Bewirtschaftung von Tropenwäldern unterstützen.

Im Vortragsteil über die Amazonas-Urwälder erfuhr ich, dass Brasilien inzwischen zum zweitgrössten Soja-Exporteur aufgestiegen ist. Für den Anbau wurden & werden riesige Urwaldflächen gerodet.
Wer jetzt übrigens als Fleischesser hämisch auf Soja essende VegetarierInnen zeigt, dem halte ich entgegen: Der Grossteil des weltweit angebauten Soja wird an Tiere, in erster Linie Rinder verfüttert!

Übrigens sind zwar die grossen Lebensmittel- & Holzkonzerne die grössten Urwaldvernichter, einen Teil macht jedoch auch Brandrodung durch landlose ArbeiterInnen aus. An dieser Stelle zeigt sich mal wieder, dass Armut die grösste Umweltgefahr darstellt. Wikipedia hat einen Artikel über die Landlosenbewegung in Brasilien. Mir fiel an dieser Stelle Chico Mendes wieder ein, über den ich vor vielen Jahren mal ein Buch gelesen habe. Er war Kautschukzapfer, gründete eine Gewerkschaft & wurde schliesslich wegen seines Engagements für den Erhalt der Regenwälder ermordet.

Zuletzt will ich noch auf ein Problem eingehen, das mich gerade seit ich Gemeinschaften bereise beschäftigt: Heizen mit Holz - in Gemeinschaften fast schon Standard - gilt als CO2-neutral. Doch was heisst CO2-neutral? Streng genommen bedeutet das für mich, dass im Mittel bei der Verbrennung (oder bei anderen Prozessen) nicht mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen wird, als die Pflanzen ihr in der gleichen Zeit wieder entziehen. In diesem Sinne ist Bioenergie beim heutigen Niveau des Energieverbrauchs alles andere als langfristig nachhaltig. Bäume (oder auch Zuckerrohr, Raps u.a.) wachsen zwar erheblich schneller nach als Kohle & Erdöl neu entstehen, doch in den Industrieländern verbrauchen wir sie trotzdem noch erheblich schneller als sie nachwachsen können.
Als drittes Bild an dieser Stelle der Weltenergieverbrauch (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung):
Weltenergieverbrauch nach Regionen
Da gibt es also noch eine ganze Menge umzudenken & umzulenken.

Sonntag, 29. Januar 2006

Freies Kinderaufwachsen II

Gestern habe ich mir bei der Sudbury-Schule in Leipzig zwei Hefte Natürlich lernen - wie neue Menschen werden des Continuum Waldkindergarten e.V. mitgenommen & heute gelesen. Da stehen so viele spannende & wichtige Sachen drin, dass das einen eigenen Eintrag rechtfertigt.

Obwohl das Einstein-Jahr gerade rum ist, zitiere ich dennoch zu Beginn Albert Einstein:
Es ist in der Tat fast ein Wunder, dass die modernen Methoden des Unterrrichts die heilige Neugier des Forschens noch nicht völlig erstickt haben, denn diese zarte, kleine Pflanze bedarf ausser dem Ansporn hauptsächlich der Freiheit. Ohne diese geht sie ohne jeden Zweifel zu Grunde.

Deutschland ist das einzige europäische Land mit einer Schulpflicht; übrigens seit 1938. Anderswo gibt es lediglich eine Bildungspflicht, dort sind andere Formen jenseits staatlich zugelassener Schulen zulässig.
Dem Hausunterricht (neudeutsch Homeschooling) stehe ich deshalb skeptisch gegenüber, weil dabei nur die Eltern nur ihre eigenen Kinder unterrichten; das ist an sozialen Kontakten sehr eingeschränkt. Schulen wie Sudbury, die sich explizit als eine Gemeinschaft versteht, gefallen mir viel besser. Es kann ja auch eine ganze Gemeinschaft sich als Lernort für die dort Lebenden verstehen. Hauptsache die Kinder haben eine grosse Auswahl an sozialen Kontakten zu Menschen aller Altersstufen.

Im ZEGG, der Gemeinschaft wo alles anfing mit meiner Reise, ist freies Kinderaufwachsen wie in vielen Gemeinschaften ein wichtiges Thema. Heckenbeck zeigt, dass die Zeit für freie Schulen mehr als reif ist.

Ein paar davon, die ich bisher noch nicht erwähnt hatte, sind die Sands School in England, die Freie Aktive Schule Esslingen, die
Freie Aktive Schule Stuttgart, die Freie Schule Fläming (wo wir schon gerade beim ZEGG waren) sowie Schkola - ein Zusammenschluss mehrerer freier Schulen im Dreiländereck, dort wo sich auch die Kulturfabrik Mittelherwigsdorf befindet.

Lernen ist wie Sex! Das berichtet die Zeit in ihrem Artikel Auf der Suche nach dem Kapiertrieb. Menschen zum Lernen zu zwingen ist also mindestens so hirnrissig wie (gesunde) Menschen zu Essen zu zwingen. Sie tun es eh von sich aus.
In diesen Zusammenhang gehört der Hirnforscher Gerald Hüther, der das Bildungsnetzwerk WIN-Future ins Leben gerufen hat.


So, & nun kommt das grosse Namedropping Teil 2:
Bekannte Schul-KritikerInnen sind John Holt, Alice Miller, Ivan Illich & Ekkehard von Braunmühl, der Begründer der Antipädagogik. Dann gibt es noch die Freinet-Pädagogik, die nicht-direktive Begleitung nach Rebeca Wild & Jesper Juul mit seinem Konzept "Das kompetente Kind". Von Rolf Robischon habe ich nur einen kurzen Absatz gelesen, erwähnen tue ich ihn dennoch. Arno Gruen untersucht in seinen Büchern die Folgen davon, dass in unserer Kultur die meisten Kinder (zwangsweise!) lernen, sich nicht für sich selbst zu verantworten & ihre Gefühle abzuspalten. Das Ergebnis nennt er den Wahnsinn der Normalität.

Weitere Bücher zum Thema sind z.B. Schulfrei. Lernen ohne Grenzen von Stefanie Mohsennia, Olivier Keller: Denn mein Leben ist Lernen, David Gribble: Schule im Aufbruch. Es gibt auch einige Bücher zur anarchistischen Pädagogik.
Die KursKontakte hat eine Rubrik anders lernen.

Vereine u.ä. Institutionen, die sich mit freiem Kinderaufwachsen & selbstbestimmtem Lernen beschäftigen, sind die Initiative Schulpflicht - Nein Danke!, Mit Kindern wachsen, Amication. Das Leben jenseits von Bevormundung und Erziehung. sowie das Institut für Autopoietisches Lernen

In der Zeitschrift Natürlich lernen Heft 02 steht ein Artikel von Anna Tardos über das Emmi-Pikler-Institut (Lóczy), den ich sehr berührend & zugleich aufschlussreich fand. Emmi Pikler hat über lange Zeit Säuglinge beobachtet & dabei herausgefunden, dass sie von sich aus neue Positionen & neue Bewegungen ausprobieren. Sitzen, stehen & laufen lernen kleine Kinder ganz von alleine, es muss kein Erwachsener dabei Händchen halten o.ä.
Die deutschsprachige Homepage des Lóczy ist www.kinder-leicht.de, der Verein Wege der Entfaltung e.V. beschäftigt sich u.a. mit den Erkenntnissen von Emmi Pikler & unterstützt das Lóczy.

Mir fiel beim Lesen des Artikels spontan die Feldenkrais-Methode ein, die sich mit unseren Bewegungsmustern beschäftigt. Bei der Feldenkrais-Ausbildung fängt mensch an mit den Bewegungsmustern des Säuglings.
Jean Liedloff hat bei Expeditionen zu einem Stamm im Amazonasgebiet viel über die Entfremdung von Geburt an herausgefunden, die in der westlichen Kultur praktiziert wird. Ein ganz grosses Anliegen ist es ihr, dass Säuglinge lange Zeit von ihrer Mutter (oder auch einem anderen Erwachsenen) getragen werden. Die Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen an der Uni Freiburg unter der Leitung von Evelin Kirkilionis führt u.a. zu diesem Thema wissenschaftliche Studien durch. Ebenso sollten nach Jean Liedloff Kinder möglichst lange gesäugt werden. Sheila Kitzinger setzt sich ebenfalls dafür ein.

Das Kato-Prinzip habe ich ja seinerzeit durch den Artikel Kommunikation mit Kindern kennen gelernt. Otmar Preuß hat auch ein Buch über Pädagogik als Begleitung statt Erziehung geschrieben: Schule halten. Vom Abenteuer, Lehrer zu sein.

Samstag, 28. Januar 2006

Sudbury-Schule Halle/Leipzig

Heute war ich beim Tag der offenen Tür bei der Sudbury-Schule Halle/Leipzig. Das ist momentan die einzige Schule nach dem Sudbury-Modell in Deutschland. Übrigens momentan faktisch eine Aktion Zivilen Ungehorsams, da die Schule bisher nicht offiziell zugelassen ist: Die Eltern haben Bussgeldbescheide bekommen, weil sie ihre Kinder nicht auf eine offizielle Schule schicken. Das find ich echt geil & sehr mutig. Solche Menschen braucht Deutschland in Massen! Dann kommt hier endlich mal was in Bewegung.

Das Sudbury-Konzept kenne ich auch erst seit kurzem, mich erschütterte jedoch, dass die meisten, denen ich von der Schule erzählte, noch nicht einmal Summerhill von Alexander S. Neill kannten. Dabei ist das schon die bekannteste demokratische Schule. Hier ist also noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig, was ich hiermit freudig tue.

Die vier Grundlagen des Sudbury-Konzepts sind:
  • Freiheit: Alle Schüler & Schülerinnen sind frei zu entscheiden, was sie in der Zeit tun, die sie in der Schule verbringen, d.h. was sie lernen.
  • Verantwortung: Jeder Schüler & jede Schülerin trägt persönlich gegenüber sich selbst & gegenüber der Schulgemeinschaft die Verantwortung für sein/ihr Handeln & dessen Folgen.
  • Demokratie: Die Schule wird von zwei demokratisch organisierten Gremien geleitet & verwaltet: von der Schulversammlung mit gleichem Sitz & gleicher Stimme für jeden Mitarbeiter & jeden Schüler sowie die Mitgliederversammlung des Trägervereins mit gleichem Sitz & gleicher Stimme für Schüler, Eltern & Mitarbeiter.
  • Rechtsstaatlichkeit: Die Mitgliederversammlung bestimmt die Grundsätze der Schule, die Schulversammlung die Regeln für den Schulalltag & die Prozeduren bei Verstössen. Anzeige, Ermittlungen, Anklage, Prozess & Urteil sind klar voneinander getrennte Bestandteile rechtsstaatlicher Justiz. Angeklagte haben hier das Recht auf Anhörung, Verteidigung & Berufung.
Am aufschlussreichsten fand ich die Rechtsstaatlichkeit, weil hier die freie Kooperation in der Praxis verwirklicht ist: Die SchülerInnen & BegleiterInnen (so nennen sich hier die "LehrerInnen") verhandeln die Regeln als Freie & Gleiche - auch auf der Metaebene, also wie wird über Regeln verhandelt.
Das nehme ich zum Anlass, die Geschichte zu zitieren, die Christoph Spehr als Aufhänger seines Textes dient:
In einer Hütte lebten drei Bären, zwei große und ein kleiner. Die großen Bären haben alles im Griff und wissen, wo es langgeht; aber der kleine Bär ist uneinsichtig und eigensinnig. Die großen Bären nennen ihn das »Prinzchen«. Wenn die großen Bären ihn rufen, sagt der kleine Bär »Nein« und kommt, sobald es ihm passt. Er will keine Suppe essen, obwohl die gesund ist und gut schmeckt, sondern lieber Schinken. Später, wenn die Suppe längst kalt ist, isst er sie dann plötzlich. Zum Schlafen will er keinen Schlafanzug anziehen und möchte, dass das Licht brennt. Die großen Bären lassen dem kleinen seinen Willen, aber sie sind nicht zufrieden. Sie finden das nicht in Ordnung.
Die großen Bären gehen sich beim Bärentherapeuten Rat holen. (Ohne den kleinen Bär, versteht sich.) Der Therapiebär sagt: »Na, kein Wunder! Ich will euch mal ein Bild malen.« Dann malt er ein Bild, auf dem der kleine Bär eine Krone trägt und die großen Bären vor ihm auf den Knien liegen. »Genauso seid ihr«, sagt der Therapiebär. »Hängt das Bild zu Hause auf, und es wird euch helfen.«
Die großen Bären hängen das Bild zu Hause auf. Als der kleine Bär das nächste Mal sagt: »Ich will jetzt nicht essen kommen!«, sieht der eine große Bär das Bild an und sagt mit fester Stimme: »Prinzchen, du kommst sofort her, oder du gehst ins Bett!« Das schockt den kleinen Bär. Der andere Bär will den kleinen Bär schon fragen, ob er lieber was anderes essen will, da sieht er das Bild an der Wand und sagt: »Basta. Wenn dir das hier nicht schmeckt – ab ins Bett.« Im Bett heult der kleine Bär, weil er das Licht anhaben will. Aber niemand kümmert sich drum. Nach einer Weile bettelt der kleine Bär, dass er wenigstens einen Gutenachtkuss haben will, sonst gar nichts. Den kriegt er dann. Die großen Bären sind jetzt wieder sehr zärtlich und freundlich.
Die großen Bären sehen auf das Bild an der Wand, und sie sehen, wie sich das magische Bild des Therapiebärs langsam verändert: Die Krone des kleinen Bären verschwindet, und die großen Bären richten sich auf. Es sieht fast so aus, als ob der kleine Bär lächelt.
So ist es gut!

Diese Geschichte, entnommen dem Kindermagazin »Hoppla« des Weltbild Verlags, ist ein typisches Stück demokratischer Propaganda. Sie zeigt alle Muster und das ganze Grauen dieser Propaganda, wie sie heute auf allen Gebieten üblich ist. Typisch sind, erstens, die Fragen, die nicht gestellt werden: Woher nehmen die alten Bären das Recht, dem kleinen Bären zu sagen, wann er ins Bett zu gehen hat und ob er dabei Licht braucht? Wieso werden sie dadurch zu seinen Untertanen, dass er beim Essen persönliche Geschmacksvorlieben hat? Wem schadet er, weil er seine Suppe nicht essen will und wieso freuen sie sich nicht, wenn er sie später doch essen will? Wer stellt mehr Zumutungen an den anderen: der kleine Bär, dessen Zumutungen immer auffallen, oder die alten Bären und ihre Welt, die unzählige Regeln, Forderungen, Normen umfasst und eine einzige, gewaltige, polypenhafte Zumutung an den kleinen Bären ausspricht: sich einzufügen und sie zu akzeptieren, wie sie ist? Wieso wird ein Unterschied zwischen diesen Zumutungen gemacht, je nachdem, in welche Richtung sie gestellt werden; womit wird dieser Unterschied begründet oder gerechtfertigt? Wer hat eigentlich wirklich die Macht: der kleine Bär, der in eine Welt nachkommt, die ihm von anderen vorgesetzt wird, oder die alten Bären, denen diese Welt gehört, die darüber verfügen, die sich selber Essen machen können und die keine Angst im Dunkeln haben? Was bedeutet das für die Situation des Konflikts?
Typisch ist, zweitens, dass soziale Kooperation nur als eine Form vorstellbar ist, wo jemand das Sagen hat. Irgendwer muss das Sagen haben und jemand anders nicht; das gilt als »Klarheit« und schafft »Ordnung« und »Orientierung« für alle. Irgendwer hat immer die Krone auf, entweder der kleine Bär, wo man sie sehen kann, oder die großen Bären, wo man sie nicht sehen kann, denn die großen Bären haben ja einfach Recht. Konflikt ist schlecht, Streit ist schlecht, Nicht-zur-Entscheidung-Kommen ist schlecht: Es gilt als Indiz dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Natürlich haben gemäß der demokratischen Propaganda nicht Personen das Sagen, sondern Prinzipien, Regeln, Diskurse, Formen der Entscheidungsfindung. Aber wer keine solchen Entscheidungen über sich »finden« lassen will, ist der Feind.
Typisch sind, drittens, die Formen der Denunziation: der Feind, der Aufmüpfige, der Regelverletzer, der Uneinsichtige und mit Gewalt zur Ordnung zu Rufende wird als Monarch dargestellt. Seine fehlende Unterordnung wird als Willkürherrschaft eines absolutistischen Fürsten porträtiert. Seine Weigerung, nach den für ihn vorgesehenen Normen zu arbeiten, zu leisten, zu funktionieren, wird als Schmarotzertum, Faulheit, Verweichlichung, Luxussucht gebrandmarkt – alles Vorwürfe, die wir mit der Lebenshaltung von Adeligen und Fürsten assoziieren. Dies ist die normale Form der Denunziation im demokratischen Zeitalter, egal, ob es um die Ansprüche von Kindern, von Sozialhilfe beziehenden Müttern, von armen Nationen oder wem auch immer geht. Die in der sozialen Hierarchie Untenstehenden werden als hochnäsige Müßiggänger im Hermelinpelz gezeichnet, als die eigentlich Dominanten, die heimlichen Fürsten.
Typisch ist, viertens, was als selbstverständlich vorausgesetzt wird: dass Macht, wenn sie in Übereinstimmung mit den herrschenden gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen ausgeübt wird, auch Recht ist, und gleichzeitig, dass sie gar keine Macht ist. Dies klingt absurd, ist jedoch gang und gäbe und Herzstück demokratischer Propaganda. Eigentum, Verfügungsgewalt, physische und strukturelle Gewalt, Zugang zu den Ebenen, auf denen die Normen gesetzt und die Regeln verhandelt werden, alles, was einen alten, dicken Bär von einem kleinen Bär unterscheidet: Es ist so selbstverständlich, dass es unsichtbar wird.
Wieso gehört den alten Bären das Haus? Weil sie darin geboren sind? Weil sie es gebaut oder gekauft haben, als der kleine Bär noch gar keine Chance hatte, ein Haus zu bauen oder zu kaufen? Wieso entscheiden sie, wann das Essen gegessen wird? Weil sie es gekocht haben? Müssten dann nicht die darüber entscheiden, die die Nahrungsmittel dafür angebaut haben? Oder die, von denen diese wiederum den Samen dafür gekauft haben? Oder die, die diese Säcke mit Samen zu ihnen hingeschleppt haben? Oder die, die den Sackschleppern ihr Essen gekocht haben? Was unterscheidet die einen in der Kette von den anderen? Wieso dürfen die alten Bären den kleinen Bär zu etwas zwingen? Wer gibt ihnen das Recht, zu wissen, was für den kleinen Bären gut ist? Ist es nicht ein Skandal, dass sie ihm gegenüber derart im Vorsprung sind?
Wenn jemand danach fragt, heißt es, es gibt Formen der demokratischen Entscheidungsfindung, die setzen das so fest, wer was darf. Wenn jemand weiter fragt, heißt es, gut, natürlich wird nicht über alles so entschieden, und
es kann nicht jede Entscheidung dabei herauskommen. Es gibt auch noch die Vernunft, das Recht, den Schutz, die Notwendigkeit, das Herkommen, den normalen Menschenverstand und so weiter; und hinten jeden dieser Begriffe ließe sich in Klammern einsetzen: »derjenigen, die Macht haben«. Wenn jemand darüber klagt, über diese Macht, heißt es: Es ist keine. Wir halten uns nicht weiter mit der Absurdität unserer Haltung auf. Wir haben unsere Therapiebären dafür, die das schmutzige Geschäft des ideologischen Reinwaschens für uns erledigen: Philosophieprofessoren, Politikwissenschaftler, Lehrer, Nachbarn, Stammtischpolitiker, Männerfreundschaften, Illustrierte. Alle Arten von Therapiebären, die wir bezahlen und beauftragen oder die sich aus innerem Antrieb berufen fühlen. Die Therapiebären helfen uns dabei, uns gegen die Ansprüche anderer emotional abzuschotten und das miese Gefühl niederzukämpfen, wenn wir Gewalt anwenden, um andere Bären hungrig im Dunkeln schlafen zu lassen.
Demokratische Propaganda heißt, Herrschaftspropaganda im demokratischen Zeitalter. Im demokratischen Zeitalter, unserem Zeitalter, das in etwa mit den revolutionären Erschütterungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt und bis heute andauert, verliert Herrschaft im vordemokratischen Stil ihre Akzeptanz. In früheren Zeiten untermauerten herrschende Gruppen ihren Anspruch, das Kommando zu haben, gerade mit ihrer Andersartigkeit, ihrer Ungleichheit mit den Beherrschten. Die herrschenden Gruppen behaupteten, sie seien von Natur aus zum Herrschen bestellt. Sie seien von Natur aus dazu befähigt, Gott näher, der Vernunft näher, der Zivilisation näher oder wem auch immer zu sein. Sie seien der Kopf, die andern die Organe. Mit solchen Argumenten rechtfertigte sich in vordemokratischen Zeiten die Herrschaft von Königen und Adel über das Volk, von Männern über Frauen, von Weißen über Nicht-Weiße, von Reichen über Arme, von Wirtschaftseliten über die, welche nur ihre Arbeitskraft besaßen. Im demokratischen Zeitalter ändert sich das. Rechtfertigungen dieses Stils werden auf Dauer nicht mehr hingenommen. Damit verschwindet Herrschaft nicht, aber sie verändert sich; und sie stellt sich auch anders dar. Im demokratischen Zeitalter betonen Herrschende und Privilegierte unermüdlich, wie gleich sie den andern seien: kein gottgleicher Über-Bär, sondern Bär unter Bären. Sie prahlen nicht mehr mit ihrer Herrschaft, sondern behaupten, es gebe keine mehr. Und wenn die großen, alten Bären die kleinen zurechtstutzen, dann herrschen sie nicht, sondern setzen nur die Regeln durch, die für alle gelten. Eigentlich handeln sie in Notwehr; sie sind es, die sich gegen die Regelverletzer zur Wehr setzen müssen.
Wir leben in einer Welt, die von alten Bären gemacht und beherrscht wird. Die Geschichte von den drei Bären hätte so in West und Ost erzählt werden können, im demokratischen Kapitalismus wie im realexistierenden Sozialismus. Sie wird erzählt in Schulen und Parlamenten, in Fabriken und Büros, in Familien und Beziehungen; sie rechtfertigt Dominanz zwischen Geschlechtern, ethnischen Gruppen, sozialen und ökonomischen Gruppen und zwischen Nationalgesellschaften. Man erzählt sie, bevor man ein Land militärisch angreift, bevor man Sozialleistungen streicht, bevor man jemand ein blaues Auge schlägt. Es steht heute ein großes Repertoire an Variantenbären zur Verfügung. Selbstgefällige Bären, frustrierte Bären, schulmeisternde Bären, locker scherzende Bären. Heiße und kalte. Aber das Muster bleibt gleich. Nein, wir nehmen uns nicht mehr heraus als die anderen, Gott behüte. Wir verhelfen nur den Regeln zur Geltung, die für alle gelten.
In der Sudbury-Schule Halle/Leipzig gelten nur die Regeln, die explizit von der Schulversammlung aufgestellt & schriftlich niedergelegt wurden. Nichts ist selbstverständlich.
Auf diese Weise werden unzählige implizite, nicht ausgesprochene Regeln entlarvt, die (den Erwachsenen!) im Kopf herumspuken. Weil sie es "so gelernt haben". Oder "weil wir das schon immer so gemacht haben". Pustekuchen! Über jede Regel wird verhandelt - unter Freien & Gleichen.
Boah, ist das geil!!!!!!!

Übrigens habe ich Michail Bakunin, der hauptsächlich meinen Weg zum Anarchismus geprägt hat, inzwischen echt gefressen. In seinem Buch ">Gott und der Staat schreibt er nämlich:
Das Autoritätsprinzip bildet bei der Kindererziehung den natürlichen Ausgangspunkt; es ist rechtmäßig, notwendig, wenn es auf Kinder in niedrigem Alter angewendet wird, deren Intelligenz noch in keiner Weise entwickelt ist. Da aber die Entwicklung jeder Sache, folglich auch die der Erziehung, die allmähliche Verneinung des Ausgangspunktes bildet, muß sich das Autoritätsprinzip gradweise mit dem Fortschritt der Erziehung und des Unterrichts der Kinder vermindern und ihrer wachsenden Freiheit Platz machen. Jede vernünftige Erziehung ist im Grunde nichts anderes als diese fortschreitende Opferung der Autorität zum Nutzen der Freiheit, da der Endzweck der Erziehung kein anderer sein soll als der, Menschen zu bilden, die frei sind und die Freiheit anderer achten und lieben. So muß der erste Schultag, wenn die Schule Kinder niedrigen Alters aufnimmt, die kaum einige Worte zu stammeln vermögen, der Tag der größten Autorität und beinahe vollständiger Abwesenheit der Freiheit sein, der letzte Schultag aber der der größten Freiheit und der absoluten Beseitigung jeder Spur des tierischen oder göttlichen Prinzips der Autorität.
Ätzend!! Diese bodenlose Überheblichkeit! Als seien (Schul-) Kinder noch keine Menschen!
Da halte ich noch mal den Artikel Subjekt Kind gegen, den ich während des Ökodorf-Festivals gelesen habe.


Stefan Fuchs (Geschäftsführer der staffadvance GmbH) hielt einen Vortrag "Überlegungen zu Sudbury aus der Perspektive der Wirtschaft". Darin erwähnte er den Sudbury Business Club, ein Netzwerk von Unternehmern, die das Sudbury-Modell unterstützen.
Inhaltlich nannte er zum einen den Trend bei der Personalauswahl, dass Abschlüsse & Zeugnisse zunehmend an Bedeutung verlieren. Neue MitarbeiterInnen wachsen über längere Zeit in den Betrieb hinein - wer kann schon anhand eines Zeugnisses beurteilen, ob dieser Mensch gut in den Betrieb passt oder nicht? Genauso wenig kann einE BewerberIn beurteilen, ob diese Stelle in diesem Unternehmen das Richtige ist, ohne dort einige Wochen bis Monate gearbeitet zu haben.
Weiterhin werden (in den Augen der Personaler!) Fähigkeiten immer wichtiger, die sich nicht in Noten ausdrücken lassen. Soziale Kompetenz, "Teamfähigkeit" oder "soft skills" lauten die Schlagworte.
Gerade Unternehmer bemängeln die Qualität der Schulbildung in Deutschland. Vor allem bei persönlichen & sozialen Kompetenzen erleben sie starke Defizite.
Hier stellt Stefan Fuchs stellvertretend die Frage: Tun wir die Dinge richtig - oder tun wir die richtigen Dinge? Wenn wir die falschen Dinge tun, ist eine radikale Kurskorrektur notwendig, blosses Herumdoktern an den Symptomen/mehr desselben (der Versuch, die Dinge die wir zur Zeit tun, besser zu tun, anstatt gleich die richtigen Dinge zu tun) reicht nicht aus.
Wesentliche Änderungen hat es auch bei der Mitarbeiterführung gegeben. Fuchs unterscheidet zwischen dem autoritären Führungsstil:
  1. Führungskraft bewertet Untergebene
  2. & zwar nur von oben nach unten
  3. bei Problemen: Suche nach Schuldigen
  4. Schwächen beheben
& dem kooperativen Führungsstil:
  1. Führungskräfte geben Feedback, übernehmen Funktion des Coach
  2. Feedback in beide Richtungen
  3. bei Problemen: aus Fehlern lernen, es das nächste Mal besser zu machen
  4. Stärken fördern
Der kooperative Führungsstil überwiegt inzwischen in Unternehmen (an dieser Stelle muss ich unbedingt auf das Business Reframing von Wolfgang Berger verweisen, der sogar noch radikaler ist), & es ist klar, welche Art von Schulen an welchen Führungsstil angepasst ist.
Bei der Personalentwicklung kommt es zunehmend darauf an, wie MitarbeiterInnen Verhandlungen führen, wie sie mit Kunden oder auch anderen Abteilungen umgehen.
Zum Thema Motivation sagt übrigens Reinhard Sprenger: andere zu etwas motivieren, das die nicht von vornherein selber wollen, funktioniert nicht. Intrinsische Motivation heisst das Zauberwort, & wenn Menschen aus sich selbst heraus handeln, stellt sich leicht ein Flow-Erlebnis ein. In Sudbury-Schulen passiert das sehr häufig. ^^
Aus all diesen Gründen erlebt Stefan Fuchs häufig grossen Respekt von Unternehmern der Sudbury-Schule gegenüber. Ein Grund für alle, die daran mitarbeiten, stolz auf ihre Schule zu sein!
Als letzten Punkt nannte Fuchs den Übergang zur Wissensgesellschaft, der hierzulande schon weitestgehend vollzogen ist. Allerdings steckt unser Denken noch in der Industriegesellschaft, was sich in eng vorgegebenen Lehrplänen, streng nach Fächern getrenntem Unterricht oder auch den klar umrissenen Berufsbildern in Ausbildungsordnungen äussert.
All diese Strukturen gibt es in Sudbury-Schulen nicht. Dafür werden die SchülerInnen dort optimal auf Lebenslanges Lernen vorbereitet.
Aus all diesen Beobachtungen fordert Stefan Fuchs (& mit ihm viele andere UnternehmerInnen) einen Paradigmenwechsel in der Bildung. Es gilt, die drei Fragen
  • Warum lernen wir etwas?
  • Was lernen wir?
  • Wie lernen wir das?
kritisch & unerschrocken zu stellen.

Die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) fordert in ihrer Studie Wettbewerb und Privatisierung im Bildungswesen, dass der Staat sein Bildungsmonopol abgibt. An sich unterstütze ich das, allerdings heisst das in Zeiten des Neoliberalismus Privatisierung (siehe GATS), & so verbindet auch die ASU ihre Forderung mit Studiengebühren & Schulgebühren.
Auch solche Gebühren kann ich grundsätzlich gut heissen, allerdings nur wenn die grossen sozial-ökonomischen Unterschiede zwischen den Menschen stark nivelliert werden. Freie Kooperation zwischen Kindern von ALG II-EmpfängerInnen & Millionärs-Söhnen & -Töchtern ist nicht möglich in einem privatisierten Bildungsmarkt. Es muss also noch ein Mechanismus her wie ein Grundeinkommen, kombiniert mit grosszügigen Stipendienprogrammen. Erst unter dieser Voraussetzung kann ich die Forderung der ASU unterstützen. Dann allerdings kann ein Wettbewerb zwischen Bildungsträgern wahre Wunder wirken. Wie die Regeln eines Marktes beschaffen sind, darüber kann ja auch verhandelt werden. & wer sagt, dass die Teilnehmer eines Marktes immer die Profitmaximierung zum Ziel haben müssen?

Ein Hinweis: Der tologo verlag, der auch Bücher über Sudbury veröffentlicht, sucht AutorInnen!

Zum Abschluss noch ein Haufen Links zum Thema Kinderrechte:

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Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
ist-einmalig_punkt_de

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Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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