Montag, 27. November 2006

Solidarische Ökonomie - reicht mir noch nicht

So, nun war ich also auf dem oft angekündigten Kongress Wie wollen wir wirtschaften? Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus an der TU Berlin. Thema des Kongresses war die Solidarische Ökonomie, worunter ich ein solidarisches ("geschwisterliches") Wirtschaften innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems, das auf dem Prinzip des Äquivalententauschs basiert, verstehe. Ganz grob vereinfacht nenne ich es mal "Wirtschaften ohne Ausbeutung".

Mein persönlicher roter Faden auf dem Kongress waren die kapitalistischen Denkstrukturen. So habe ich Gedanken & Gefühle der Art genannt "ich habe Angst zu kurz zu kommen, deshalb achte ich zuerst darauf, dass ich das bekomme was ich brauche". Dem gegenüber geht eine solidarische/geschwisterliche Denk- & Fühlweise davon aus, was die anderen Menschen brauchen, mit denen ich zu tun habe, & setzt sich dafür ein dass sie das auch bekommen.
Voraussetzung dafür ist, dass ich mich nicht im Mangel, sondern in der Fülle fühle. Aus diesem Bewusstsein der Fülle heraus liegen Lösungen, von denen alle etwas haben, viel näher als wenn jedeR nur (bzw. zuerst) an sich denkt. Von daher stimmt der Spruch "Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht" nur sehr bedingt. Bei dieser egozentrischen Herangehensweise fällt ein ganzes Universum von kreativen, gemeinschaftlichen, solidarischen Lösungen unter den Tisch.
Die Form der Entscheidungsfindung aus dem Bewusstsein der Fülle heraus ist das Konsensverfahren. Dazu habe ich mir auf dem Kongress den HierarchNIE!-Reader gekauft, sozusagen die linksradikale Version des Konsens-Buches der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden (das ich schon seit längerem habe).

Aus diesem Bewusstsein heraus wurde mir während des Kongresses immer deutlicher, dass mir eine "nur" solidarische Ökonomie (so unterstützenswert ich sie finde) noch nicht weit genug reicht. Meine grosse Vision ist die globale Umsonstökonomie, auch Gratisökonomie oder Schenkökonomie genannt (siehe auch Heide Göttner-Abendroth). Dabei ist es möglich, beliebig klein anzufangen. Ein Ansatz sind NutzerInnengemeinschaften, kurz Nutzigems. Ein paar Leute von Schöner Leben Göttingen entwickeln dafür eine Internetplattform: www.nutzigems.org.
Die Idee einer Nutzigem ist denkbar einfach: Einige Leute schliessen sich zusammen & stellen beliebige Ressourcen für alle innerhalb der Nutzigem zur Verfügung, seien es nun Dinge oder Fähigkeiten. Im Rahmen der Diskussion wurde auch die Möglichkeit vorgeschlagen, sein monatliches Gehalt von 1.000 Euro zur Verfügung zu stellen...
Dabei bleiben die Dinge im Eigentum der Einzelpersonen - bis auf das, was verschenkt wird natürlich. Auch dann wechselt aber nur der Eigentümer. Kollektiveigentum gehört nicht zum Prinzip einer Nutzigem, lässt sich jedoch problemlos damit kombinieren.
In den Nutzigems, wie auch in Umsonstläden u.a. zeigt sich die Keimform einer grundlegend anderen Wirtschaft - eben der Umsonstökonomie. Das Oekonux-Projekt befasst sich speziell mit dem Keimformcharakter Freier Software.

Übrigens habe ich gerade im Keimform-Blog einen Hinweis auf einen Artikel gefunden, der über die Auswirkungen von Geld auf menschliches Sozialverhalten berichtet:Geld erzeugt bei Menschen das Gefühl von Unabhängigkeit – sie sind dann weniger bereit, fremde Hilfe anzunehmen oder anderen Unterstützung anzubieten
Quelle: Hilf dir doch selbst!
Dafür genügt die beiläufige Anwesenheit von Geld oder Symbolen bzw. Inhalten, die mit Geld zusammenhängen!! Wenn das kein Grund ist, sich mit voller Kraft für die Umsonstökonomie einzusetzen...

Zum Schluss liste ich noch ein paar gerade eben im Umsonstökonomie-Rausch entdeckte Websites auf:
Zunächst mal unverdient gut leben von Uli Frank, der auch das Thema Kinder in diesem Zusammenhang erörtert, was mir ja auch besonders am Herzen liegt.
Ein guter Einstiegstext von ihm ist Hör auf zu rechnen! (...und zu tauschen!), da bringt er die Geld-/Tauschlogik & ihre Auswirkungen gut auf den Punkt, sowie was nötig ist um das alles anders zu machen.
Hach, ich könnt grad in die Luft springen vor Begeisterung!!! Surft auf diesen Websites, da geht die Reise hin!

Übrigens passt die Neue Arbeit da super mit rein. Das Buch von Frithjof Bergmann hab ich mir zum Super-Sonderpreis am Stand der Sozialistischen Selbsthilfe Köln-Mühlheim (SSM) gekauft. Dort in Köln gibt es auch das Institut für Neue Arbeit e.V. In einer Gesellschaft, die nicht mehr der Geldlogik unterliegt, wird es viel leichter sein, dass sich alle Menschen selbst entfalten bzw. in der Sprache der Neuen Arbeit das tun, was sie wirklich wirklich wollen.

Dienstag, 14. November 2006

Kreditderivate

Mein persönlicher Wirtschafts-Guru Paul C. Martin alias dottore hat kürzlich im Elliott-Wellen-Forum darauf hingewiesen, dass im Markt für Credit Default Swaps eine Zeitbombe tickt. Die geht vielleicht sogar hoch bevor die Immobilienblase platzt. Um eine Grössenordnung zu nennen: Es geht um mehr als 30 Billionen US-Dollar (& das ist kein Übersetzungsfehler)!!
Zitat PCM: "Was wir 2000 ff. erleben durften, war nur das Stimmen der Instrumente vor der Ouvertüre."
Im Bericht der Bundesbank zu CDS (Beitrag "CDS hier ganz gut erklärt") heisst es:
Der Markt für Credit Default Swaps (CDS) hat in den letzten Jahren ein stürmisches Wachstum erfahren. CDS ermöglichen die Trennung des Kreditrisikos von der zu Grunde liegenden Kreditbeziehung und damit den separaten Handel dieses Risikos.
Aus Sicht der Notenbanken ist es eine Kernfrage, inwieweit die Entwicklungen auf den Märkten für Kreditderivate die Finanzmarktstabilität beeinflussen. Eine breitere Verteilung der Kreditrisiken verbessert insgesamt die Fähigkeit des Finanzsystems, Schocks zu absorbieren. Auf der anderen Seite kann die Entwicklung der CDS-Märkte auch mit Risiken verbunden sein, etwa dann, wenn die Gefahr systemischer Krisen auf Grund neu entstandener Ansteckungskanäle zunimmt.
Obgleich die Entwicklung der CDS-Märkte sich noch in einem frühen Stadium befindet, deuten eigene Untersuchungen darauf hin, dass die CDS-Märkte durch die schnellere Verarbeitung neuer Marktinformationen gegenüber den Anleihemärkten eine Preisführerschaft aufweisen und einen deutlichen Vorlaufcharakter vor Kreditwürdigkeits-Herabstufungen durch Ratingagenturen haben. Insgesamt lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass die CDS-Preise wesentliche Informationen zur Früherkennung von möglicherweise kritischen Entwicklungen im Finanzsystem enthalten.

Da hat unser patriarchales Geldsystem mal wieder gehörig über die Stränge geschlagen...

Mich gruselt's!

Sonntag, 12. November 2006

Talking 'bout my generation

Bei meiner ersten & voraussichtlich auch letzten Supervision in Jahnishausen stand die Verabschiedung von Sabine, ihren Kindern & einer anderen Mutter mit drei Kindern im Mittelpunkt. Davon ausgehend ergab sich (wie schon öfters in Jahnishausen) die Frage ganz allgemein nach Familien mit Kindern in der Gemeinschaft. Von den meisten, die in Jahnishausen bleiben, habe ich den starken Wunsch gehört, dass junge Menschen & Familien mit Kindern als Teil der Gemeinschaft am Platz leben. Was ich an anderer Stelle geschrieben hatte, entbehrt also jeglicher Grundlage. Meine Veranlassung war dabei auch nur, einen möglichen Druck rauszunehmen "wir müssen aber" wenn dies möglicherweise nur von einem Teil der Gruppe gewollt wird. Mir war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen, dass es dazu einen deutlichen Grundkonsens gibt. Schwierig ist folglich "nur noch" die Umsetzung.

Ganz zum Ende der Supervision wurde mir mit einem Paukenschlag bewusst, was das für ein Riesending ist & was da alles mit dran hängt. Denn Kinder konfrontieren mich ganz direkt & persönlich mit meiner Kindheit (Stichwort Inneres Kind, auch wenn ich den Ausdruck ganz schön abgedroschen finde). Selbst meine Generation ist grösstenteils bei weitem noch nicht so frei aufgewachsen wie ich es heute bei vielen Kindern erlebe.
Ich selber habe lange Zeit mit Kindern nichts anfangen können. Erst vor wenigen Jahren konnte ich mir eingestehen, dass es an meinen eigenen Schmerz rührt, als Kind nicht wie das freie Wesen behandelt worden zu sein, das wir doch alle sind, wenn ich Kindern begegne. Nach & nach konnte ich es geniessen, einfach zu spielen. Das war sehr befreiend für mich & fiel mir von Mal zu Mal leichter. Dazwischen jedoch fühlte ich den alten Schmerz, liess ihn zu, auch jedes Mal ein Stückchen mehr.

Die Gemeinschaft in Jahnishausen hat sich damit einer Jahrhundertaufgabe angenommen, wenn es denn in einem Jahrhundert zu schaffen ist.
Noch schwerer ist es wohl für die heutige Grosselterngeneration, denn sie haben einerseits selbst als Kinder grosse Entbehrungen erlebt, & oft haben sie in ihrer Rolle als Eltern ihren Kindern auch nicht das geben können, was viele Kinder heute bekommen.
Das sind keine guten Voraussetzungen, unbeschwert mit Kindern zu leben. & doch können sich natürlich nicht alle Erwachsenen ausschliesslich mit ihren eigenen Verletzungen beschäftigen.
Ich ziehe also sämtliche (nicht vorhandene) Hüte vor den Menschen in Jahnishausen, dass sie sich dieser Herausforderung stellen.

& die Tragweite von Punkt 2 meiner Gemeinschaftsgrundsätze wird mir erst jetzt klar. Wo die Erwachsenen es Kindern ermöglichen, frei auzuwachsen, da wird der Grundstein für eine freie Gesellschaft gelegt & das Ende der Elternkultur eingeläutet. Dann gehen nämlich die Erwachsenen zunehmend auch frei miteinander um - das fällt uns meist noch leichter als Kinder so sein zu lassen wie sie sind. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich - aber erst ab 18... & natürlich abgesehen von Menschen, die keine BürgerInnen dieses Staates sind.
Das hängt alles miteinander zusammen, & nach meiner Einschätzung ist unser Verhältnis zu Kindern die Richtschnur, wie wir generell mit anderen Menschen umgehen. Wenn ich ein Kind ohne Bedenken so sein lassen kann wie es ist, dann werde ich auch Erwachsene nicht herumkommandieren oder ändern wollen - kurz gesagt ihnen meinen Willen aufzwingen wollen. Im Zusammenleben mit Kindern kann ich üben, was herrschaftsfreies Handeln wirklich bedeutet. Zugleich kann ich daran - wieder ein abgedroschener Ausdruck - spirituell wachsen.

Sonntag, 5. November 2006

Warum unser Geldsystem patriarchal ist

Beim Wäsche aufhängen kam mir eine sehr grundlegende Erkenntnis: nämlich wie die Nicht(be)achtung der lebensfördernden Arbeit mit unserem kapitalistischen Geldsystem zusammenhängt. Dieser Beitrag ist also eine Ergänzung zum Beitrag über die Konferenz in Klein Jasedow.
Margrit Kennedy hatte ich da ja noch gar nicht erwähnt. Ihr Schwerpunkt ist die Entwicklung von Komplementärwährungen, die nach anderen Prinzipien funktionieren als unser herrschendes Geldsystem (siehe dazu Eine Billion Dollar). Das Hauptproblem ist ja der Zinseszinseffekt, durch den in zinsbehaftetes Geld fast automatisch ein exponentielles Wachstum eingebaut ist. Dieser entsteht, weil ich die Zinsen, die ich für meine Geldanlage bekomme, wieder neu anlegen kann.
Margrit Kennedy sprach auf der Konferenz davon, dass sie als Stadtplanerin oft ihre ökologischen Ideen nicht verwirklichen konnte; als Antwort auf ihre Pläne bekam sie oft zu hören "das rechnet sich nicht". Indem sie der Frage nachging, was "sich rechnen" eigentlich bedeutet, kam sie unserem Geldsystem auf die Spur. Eine Investition "rechnet" sich nur dann, wenn sich das investierte Geld schneller vermehrt als wenn es festverzinslich zum jeweils geltenden Zinssatz angelegt wird. Oder andersrum: sie rechnet sich nur, wenn sie mehr erbringt als die Kreditzinsen, die der Investor zahlen muss.

Vor diesem Hintergrund wird nun klar, warum das kapitalistische System lebensfördernde Arbeit (unschön Reproduktionsarbeit genannt) missachten muss: Sie rechnet sich nicht. Denn anders als kapitalistisches Wirtschaften ist sie gar nicht darauf aus, einen Profit, einen Mehrwert zu erwirtschaften. Ihrem Wesen nach erhält sie die bestehenden Werte, die es zum Weiterbestehen des Haushalts, der Familie, weiter gehend der Menschheit & des ganzen Planeten braucht.
Bernard Lietaer hat sich um die Zusammenhänge zwischen patriarchaler Kultur & kapitalistischer Geldwirtschaft sehr verdient gemacht. Als Einstieg eignet sich sein Artikel Gier und Knappheit.

Natürlich steckt hinter der Nichtachtung der lebensfördernden Arbeit viel mehr als "nur" das Geldsystem. Dieses ist jedoch ein grundlegendes Element unseres Wirtschafts- & Gesellschaftssystems, es prägt auch unsere Kultur wesentlich mit. Letzten Endes beeinflussen sich diese Faktoren alle gegenseitig, & am wirksamsten können wir sie ändern, indem wir an mehreren Aspekten gleichzeitig arbeiten. Am Anfang steht dabei immer, sich die Dinge (& wie sie miteinander zusammenhängen) ins Bewusstsein zu rufen.

Dienstag, 31. Oktober 2006

Der Personal Fabricator

Beim Stöbern im Oekonux-Archiv fand ich die Heise-Meldung 3D-Druck aus dem Copyshop, die die Dienstleistung rapidobject vorstellt. Dies ist ein Fabber, wie ihn Frithjof Bergmann als zentralen Bestandteil der Neuen Arbeit beschreibt (siehe High-Tech Eigenproduktion: Der Personal Fabricator). Fabbit ist eine Initiative eines anderen Unternehmens, die genau das gleiche vorhat; der Text auf der Website ist eine gelungene knackige Einführung ins Thema.

Ich bin grad so begeistert, dass ich kaum ruhig sitzen & schreiben kann...
Star Trek wird langsam Wirklichkeit. Mich faszinierte an dieser Science-Fiction-Serie schon immer, dass die Menschen dort im Überfluss leben, sich mittels Replikatoren alle materiellen Güter beliebig herstellen können & deshalb Geld gar nicht mehr benötigen.
Ein Traum rückt in greifbare Nähe!

Als Einstieg in Oekonux eignet sich übrigens der Vortrag von Stefan Merten hervorragend.

Kontakt

Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
ist-einmalig_punkt_de

Intro

Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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Na prima das mit der Arbeit.
Jörg (Gast) - 2009-09-03 14:53

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