Sonntag, 18. Dezember 2005

Dankbarkeit

In meinem Spirituellen Taschenkalender steht für diese Woche der folgende Spruch drin:

Ohne Dankbarkeit gibt es kein Wachstum, ohne Dankbarkeit gibt es keine Religion, ohne Dankbarkeit gibt es kein Gebet. Religion beginnt mit Dankbarkeit & endet mit Dankbarkeit. Sie ist eine Reise von Dankbarkeit zu Dankbarkeit. Am Anfang ist es ein Same, am Ende ist es eine Blume. Aber die grundlegendste Tatsache ist, dass das Leben nicht für selbstverständlich gehalten werden darf. Wir haben es nicht verdient - es ist ein Geschenk.
(Der Spruch ist von Osho)

Mich traf dieser Spruch wie ein Schlag, denn es fällt mir unheimlich schwer, dankbar zu sein. & zwar sowohl, Dank zu äussern als auch, mich überhaupt dankbar zu fühlen. Inzwischen ist mir klar geworden, was mich am dankbar sein hindert, ist das Ego. Das Ego fürchtet nichts mehr als für etwas dankbar zu sein, denn damit erkennt es an, dass es darüber keine Kontrolle hatte, dass es etwas geschenkt bekommen hat. Anders ausgedrückt: bin ich dankbar für etwas, dann bin ich abhängig von jemand oder etwas anderem (ausserhalb von mir), die/der/das mich beschenkt hat.
Ich nehme im Moment zunehmend deutlich wahr, wie stark ich diesem Kontroll-Wahn unterliege. Inzwischen gelingt es mir schon, mich selbst dabei zu beobachten - früher lief das fast immer unbewusst ab.

Bildet Banden! Alternative Genossenschaftstage in Weimar

bildet Banden!
(Dieses Motiv gibt es übrigens als T-Shirt, Kapuzenpulli & Aufnäher bei Hönkeldruck, der Druckwerkstatt auf Burg Lutter!)

Die VeranstalterInnen der Alternativen Genossenschaftstage in Weimar, die innova eG & der Bundesverein zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e.V. (BzFdG), wären wahrscheinlich nicht mit diesem linksradikalen Motiv als Einleitung einverstanden. Aber ich frag gar nicht erst :-D

Die Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar gefiel mir als Veranstaltungsort überaus gut, ein toll ausgestattetes & organisiertes Haus. Nur mit dem vegetarischen Essen hatten sie's nicht so...

Diesmal werde ich nicht, wie bei den anderen Tagungen wo ich war, einen umfangreichen Bericht verfassen. Hab gemerkt dass es mir eher darauf ankommt, mitzuteilen was mir persönlich wichtig war & was ich für mich mitgenommen habe.

Das war in diesem Fall zunächst mal, was überhaupt das Wesen einer Genossenschaft ausmacht. Die Geschichtsschreibung der Genossenschaftsbewegung beginnt meist mit den Redlichen Pionieren von Rochdale. Diese formulierten damals Prinzipien, die sich zum Teil noch heute in den Prinzipien des Internationalen Genossenschaftsbundes finden.

Entscheidende Merkmale einer Genossenschaft sind das Identitätsprinzip (die Marktpartner sind zugleich auch Mitglieder & bestimmen über die Geschäftstätigkeit mit) & das Förderprinzip (eine Genossenschaft dient der Förderung ihrer Mitglieder). Paragraph 1 des deutschen Genossenschaftsgesetzes definiert daher Genossenschaften als
"Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken."
Auf der Tagung wurden die drei Prinzipien:
  • Selbsthilfe
  • Selbstverwaltung
  • Selbstverantwortung
als Kennzeichen von Genossenschaften genannt. Von Beginn an verstehen sich Genossenschaften als staatsunabhängig - was sie aus anarchistischem Gesichtspunkt interessant macht.
Passend zur Tagung hat mein Lieblings-Wirtschaftsmagazin brand eins übrigens einen regelrechten Werbeartikel für Genossenschaften veröffentlicht: Echte Hilfe.

In Deutschland gibt es nach einer Statistik der DZ Bank ca. 9.000 Genossenschaften, das Genossenschaftsregister umfasst ca. 12.000, wo aber vermutlich viele Karteileichen dabei sind. Bei den deutschen Genossenschaften arbeiten etwa 650.000 Beschäftigte, davon allerdings gut die Hälfte bei Genossenschaftsbanken. Einen erheblichen Teil der restlichen Genossenschaften machen gewerbliche Verbundgruppen wie REWE, EDEKA oder DATEV aus. Das DeNIC ist übrigens auch eine Genossenschaft.
Somit machen Selbsthilfe- u.ä. Genossenschaften, um die es der innova in erster Linie geht, nur einen kleinen Teil aus. Zum Vergleich: In Italien sind in den letzten 20 Jahren so viele Sozialgenossenschaften entstanden wie es in Deutschland insgesamt Genossenschaften gibt!

Ein Punkt zur Haftung von Genossenschaftsmitgliedern war für mich ein Aha-Erlebnis: In der Satzung kann eine unbegrenzte Nachschusspflicht vereinbart werden. Damit lässt sich eine Genossenschaft, die im Regelfall eine Kapitalgesellschaft ohne persönliche Haftung der Mitglieder darstellt, in eine Personengesellschaft von persönlich haftenden GesellschafterInnen verwandeln. Das erwähne ich deshalb, weil dadurch das Ganze einen viel stärkeren wirtschaftlichen Drive bekommt.

Für alle, die mit einer Unternehmensgründung liebäugeln, ist es sicherlich eine wichtige Information, dass GenossenschaftsmitarbeiterInnen sozialversicherungspflichtig sind. Wer also in seiner Genossenschaft mitarbeitet, ist damit sozialversichert, was bei anderen Rechtsformen nicht der Fall ist - da ist mensch entweder UnternehmerIn oder angestellt. Beides zusammen geht nur in Form einer Genossenschaft.

Die anstehenden Änderungen des Genossenschaftsgesetzes sind - samt verschiedener Kommentare - beim BzFdG abrufbar.

Schwerpunktthema der Genossenschaftstage war die Ausbildung von Genossenschafts-PromotorInnen im Rahmen der QuaGeno-Fortbildung der innova eG. Anfangs hatte ich noch gedacht, das könnte auch was für mich sein, im Laufe der Tagung wurde mir jedoch klar, dass das 1. zu speziell für mich ist, 2. nächstes Jahr schon losgeht, wo ich ja noch kreuz & quer durch Europa reisen will & 3. bin ich momentan so revolutionär drauf, dass solche Genossenschaftsprojekte mir zu systemstützend sind. Das hat mir auch einer der innova-Leute bestätigt: natürlich entlasten Sozialgenossenschaften das staatliche Sozialsystem & stützen damit den Kapitalismus. Auf der anderen Seite helfen sich die Menschen in solchen Projekten selbst, es ist also schon emanzipatorisch.
Mir stellt sich nun die Frage, wie organisiere ich emanzipatorische Selbsthilfe, ohne damit die herrschende Ordnung zu stützen?

Der Vortrag von Prof. Hans-H. Münkner vom Marburger Institut für Kooperation in Entwicklungsländern spannte den Bogen erheblich weiter als die anderen Veranstaltungen. Münkner war einer von vier Dozenten, die den Studiengang der Diplom-Kooperationsökonomen an der Universität Marburg von 1964-2002 betreuten. Im Rahmen dieses Studiengangs wurden - finanziert durch Stipendien des Landes Hessen - Menschen aus Trikontländern im Bereich Kooperationsökonomie ausgebildet, ein Bereich, der in herkömmlichen Wirtschaftsstudiengängen nicht vorkommt. Doch gerade in wirtschaftlich schwachen Regionen braucht es solche Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Münkner hat übrigens Anfang der 60er vier Monate in einem Kibbuz praktische Erfahrungen gesammelt.
Für den fundierten Einstieg in das Thema Genossenschaften empfahl er das Buch Die Genossenschaft als Unternehmungstyp von Georg Draheim.

Der Vortrag zum Thema Schülergenossenschaften fiel aus, weil die Referentin nicht durch das Schneechaos bis nach Weimar kam, es gibt jedoch eine Website dazu: Geno-at-school.

Weitere Links: Zum Schluss verweise ich alle an solidarischem Wirtschaften Interessierte auf den angekündigten Kongress Wie wollen wir wirtschaften?

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Jabber: iromeister@deshalbfrei.org
Skype: brich.die.regeln
Mail: rincewind_at_
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Guten Tag FremdeR! Du bist hier beim Blog eines (Forschungs-) Reisenden zu Gemeinschaften & Kommunen gelandet. Unterwegs bin ich seit Ende Juli 2005, seit ca. Sommer 2006 inzwischen wieder sesshaft. Mehr über mich & mein Projekt erfährst Du im Startschuss-Beitrag. Darin erkläre ich auch, wie Du diesen Blog "bedienst"!
Im Beitrag Eine neue Kultur fasse ich meinen bisherigen Lebens-Schwerpunkt zusammen - darum geht es mir, nicht nur in diesem Blog.

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